Therapeutischer Effekt

Deshalb sind Menschen, die am Wasser wohnen, glücklicher

Aktualisiert am 21.05.2025 – 14:37 UhrLesedauer: 4 Min.

Vergrößern des Bildes

Es kann beruhigen oder die Gedanken in Bewegung bringen: Studien belegen die unterschiedlichen Wirkungen von Wasser auf Seele und Geist. (Quelle: Daniel Karmann/dpa/dpa-tmn/dpa-bilder)

News folgen

Der Blick aufs Meer oder der Spaziergang am Fluss – Wasser hat eine wohltuende Wirkung auf die Psyche. Experten erklären, wie wir das aktiv nutzen können.

Wasser spielt seit jeher eine wichtige Rolle für Mensch und Natur. Die Siedlungen unserer Vorfahren entstanden bevorzugt an Flüssen und Küsten. Diese frühe Prägung hat sich tief in unserem Unterbewusstsein verankert.

Aus psychologischer Sicht wirkt Wasser nicht nur deshalb anziehend. Ein Aufenthalt am Meer, See oder Fluss senkt den Cortisolspiegel. Das Gehirn schaltet in einen ruhigeren Modus. Die Umweltpsychologin Sandra Geiger verweist auf die sogenannte Stressreduktions-Theorie. Demnach rufen Pflanzen oder Wasser positive Emotionen hervor – Interesse, Freude und Ruhe. Das fördert die Erholung und reduziert das Stresserleben.

Eine weitere theoretische Grundlage liefert die Aufmerksamkeits-Erholungs-Theorie. In einer hektischen, lauten und uns oft mit Reizen überflutenden Umgebung wie der Stadt ist unsere Aufmerksamkeit ständig gefordert. Die Zeit in der Natur schafft einen Ausgleich. „Sie lenkt ab – aber auf eine weniger anstrengende Weise“, so die Wissenschaftlerin. Der Blick auf die gleichmäßige Bewegung des Wassers beruhigt. Sorgen verlieren an Gewicht, die mentale Präsenz kann sich erholen.

Historisch gesehen war das nicht immer so. Im Mittelalter galt das Meer als bedrohlich – voller Gefahren und Unsicherheiten. „Das änderte sich mit der Aufklärung und dem Aufkommen der Kurorte im 18. Jahrhundert“, sagt der Psychologe Florian Schmid-Höhne. Er bietet Burnout-Coachings am Meer an. Heute wissen wir: Das Meer entspannt unsere Psyche. „Der Blick in die Weite beruhigt unsere Augen, unser Gemüt. Farbpsychologisch trägt auch die blau-grüne Färbung dazu bei.“ Sie steht für Weite, Ruhe, Entspannung.

Doch nicht nur das Sehen wirkt – auch der Klang hat Einfluss. Das Rauschen der Wellen, das gleichmäßige Plätschern eines Baches: „Wassergeräusche werden oft als positiv empfunden“, sagt Sandra Geiger. Forschende der Carlton University und der Michigan State University untersuchten die Auswirkungen natürlicher Klanglandschaften in US-Nationalparks. Das Ergebnis: Schon das bewusste Hören von Naturgeräuschen kann Schmerzen und Stress verringern, die Stimmung aufhellen und die kognitive Leistung verbessern. Wassergeräusche hatten dabei den größten Einfluss auf die Gesundheit und positive Gefühle.

Auch tiefenpsychologisch lassen sich Erklärungen finden: Das gleichmäßige Rauschen des Meeres löst laut Schmid-Höhne das Gefühl von Geborgenheit in uns aus. Es kann uns unterbewusst an die Zeit im Mutterleib erinnern.

Den Klang von Natur wie Regen, Wasserfälle, zirpende Grillen oder sich brechende Wellen nennt man auch grünes Rauschen. Grün steht hier symbolisch für Wälder, Wiesen und Ruhe. Die Klänge können unter anderem beim Einschlafen helfen. Mehr dazu erfahren Sie hier.

Wohltuend kann ebenso der Hautkontakt sein. Ein Sprung in den See, barfuß durch den Bach, Baden im Wasser – all das regt die Sinne, das vegetative Nervensystem und den Kreislauf an. „Wasser zu berühren hat etwas Energetisches“, sagt Florian Schmid-Höhne. Die Kälte des Wassers belebt. Genauso wie die Bewegung im Wasser. „Es hat etwas Spielerisches. Kindliche Gefühle kommen hoch.“

Allerdings: „Nur wer als Kind positive Erfahrungen mit Wasser gemacht hat, hält sich auch als Erwachsener gern darin auf“, sagt Geiger. Negative Prägungen können das Gegenteil bewirken.

Panta rhei (altgriechisch für alles fließt): Wasser bedeutet auch Wandel und Energie. (Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Der amerikanische Meeresbiologe Wallace J. Nichols findet in seinem Buch viele Belege für den „Blue Mind“ – einen leicht meditativen Zustand von Ruhe, Frieden und innerem Gleichgewicht, der sich in der Nähe von Wasser einstellt. Wie schnell der Effekt eintritt, hängt allerdings von der individuellen Verfassung ab. Etwa „davon, mit welchen Problemen ich dem Wasser begegne und welche Persönlichkeit ich mitbringe“, sagt der Burnout-Coach Schmid-Höhne. Die meisten seiner Klienten öffnen sich nach zwei bis vier Tagen am Meer.

  • Pause vom Alltag: Drei Achtsamkeitsübungen gegen Anspannung

Für viele Menschen ist Wasser auch ein Ideen-Geber. Wasser inspiriert – durch Bewegung, Klang, wechselnde Lichtreflexe. Es schafft eine Atmosphäre, in der sich Assoziationen leichter verknüpfen lassen. Und es schenkt die nötige Ruhe, damit neue Gedanken überhaupt entstehen können. „Das ist vor allem in der Anfangsphase, beim Brainstorming, hilfreich, wenn man Ideen sammelt und sie sacken lässt“, erklärt Geiger. Weniger in den späteren Phasen, wo das analytische Denken einsetzt.

„Die Küste und das Meer bieten uns viele Metaphern, um die eigenen Probleme zu betrachten“, sagt Florian Schmid-Höhne. „Ich kann ganz nah am Meer an sie rangehen oder von einer hohen Klippe auf sie schauen.“

Share.
Exit mobile version