Nachdem sich der Verdacht auf das gefährliche Marburg-Virus nicht erhärtet hat, bleibt die Frage: Ist das Virus eine Gefahr für uns in Deutschland?

Entwarnung in Hamburg: Nachdem sich am vergangenen Abend zwei Medizinstudenten nach einer Reise nach Ruanda und Kontakt mit infizierten Menschen mit Krankheitssymptomen aus einem Zug in Richtung Hamburg bei den Behörden gemeldet hatten, wurden am Hauptbahnhof der Metropole zwei Gleise gesperrt. Die beiden Patienten wurden nach Ankunft isoliert und ins Krankenhaus gebracht. Mittlerweile steht fest: Es handelt sich nicht, wie zunächst vermutet, um das gefährliche Marburg-Virus.

Am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin wurden die Proben untersucht. Prof. Stephan Günther, Leiter der Virus-Diagnostik in dem Institut, berichtet im Interview mit t-online, wie das Ganze ablief.

t-online: Waren Sie gestern überrascht, als Sie von dem Verdacht auf das Marburg-Virus gehört haben?

Prof. Stephan Günther: So halb. Wir haben im Verlauf eines Jahres immer wieder Verdachtsfälle auf verschiedene Krankheiten, die zügige Tests notwendig machen, beispielsweise auf Ebola oder das Lassa-Virus. Meist gibt es den Verdacht, daß sie von Reisenden nach Deutschland importiert werden. Das gehört seit Jahren zu unserer Arbeit. Das Marburg-Virus kommt nicht sehr häufig vor.

Das Ganze klang gestern Abend hochdramatisch: Gleise wurden gesperrt, die Patienten isoliert. Ist so etwas notwendig?

Ich bin für die Diagnostik zuständig und kann nicht für die Kollegen sprechen, die solche Einsätze planen. Aus den anfänglichen Informationen und den beschriebenen Symptomen heraus und aus der besonderen Situation, dass die Studenten im Hochrisikogebiet Ruanda in direktem Kontakt mit Infizierten waren, ist das Vorgehen sinnvoll gewesen. Solange es noch keine Klarheit gibt, aber der Anfangsverdacht sehr groß ist, sollte man das ernst nehmen. Schließlich geht es auch darum, im Ernstfall die Kontakte nachverfolgen zu können. In einem Flugzeug ist das anhand der Passagierlisten möglich, bei einem Zug ist das nicht so einfach.

Eine elektronenmikroskopische Aufnahme des Marburg-Virus. (Quelle: Bernhard-Nocht-Institut/dpa-bilder)

Das Marburg-Virus verursacht die Marburg-Virus-Krankheit (MVD) – ein sogenanntes hämorrhagisches Fieber, das ohne Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich verläuft. Nach Angaben der WHO liegt die Sterblichkeitsrate bei bis zu 88 Prozent, kann bei guter Versorgung des betroffenen Patienten aber auch wesentlich niedriger sein. Das Marburg-Virus wird von Tier zu Mensch oder von Mensch zu Mensch übertragen. Mehr darüber lesen Sie hier.

Offenbar ging das sehr effizient vonstatten.

Ja, das zeigt auch, wie leistungsfähig unser System trotz aller Kritik am Ende doch ist: Solch eine schnelle Reaktion wäre nicht in allen Ländern möglich gewesen. Ein großer Vorteil war unbestritten aber auch, dass das UKE mit der Isolierstation und unser Institut mit einem Hochsicherheitslabor direkt vor Ort sind und alles zügig vonstattengehen konnte. So konnten wir die Situation schnell aufklären und weitere Untersuchungen anstoßen, damit die Patienten behandelt werden können.

Wie sind Sie bei der Analyse vorgegangen?

Wir haben Proben von verschiedenen Körperflüssigkeiten wie Urin, Speichel oder Blut untersucht. Nach unseren Protokollen wurde der Fall als ernsthafter Verdacht eingestuft – die Proben wurden zuerst in ein Labor der Stufe 4 gebracht. Das sind die mit den Schutzanzügen und Durchgangsschleusen. Vor der Analyse wurde das Virus dort inaktiviert, also quasi getötet. Danach haben wir mehrere verschiedene PCR-Tests gemacht – vergleichbar mit denen, die die meisten noch aus der Coronazeit kennen. So konnten wir sicher sein, dass es sich wirklich nicht um das Marburg-Virus handelt.



Die Chance, sich anzustecken, ist sehr gering.


Prof. Stephan Günther


Die Entwarnung kam am Folgetag mittags. Ist solch ein Zeitfenster normal?

Wir waren schon zwischen 2 und 3 Uhr nachts mit unseren Analysen fertig. Anschließend wurden die Ergebnisse an die Behandler im UKE gemeldet, damit auch auf andere Erkrankungen getestet werden kann. Und auch die Behörden wollten alle Aspekte abklopfen, um wirklich sicher zu sein.

Dieses Mal sind wir glimpflich davongekommen. Rechnen Sie generell damit, dass das Marburg-Virus auch Deutschland erreicht?

Das Marburg-Virus kommt extrem selten vor, auch in Afrika. Die Ausbrüche sind im Vergleich mit Ebola deutlich kleiner. Hinzu kommt, dass das Virus nur über direkten Kontakt und nicht über die Luft übertragen wird. Die Chance, sich anzustecken, ist deshalb sehr gering.

Es besteht also kein Grund zur Sorge?

Natürlich kann es Einzelfälle geben. Und wenn die betroffene Person sich nicht wie in diesem Fall sofort meldet, sondern sich von jemandem pflegen lässt und es dort engen Kontakt gibt, kann es auch zu einer Übertragung kommen. Aber wenn sich Menschen checken lassen und isolieren, dann kann man die Ansteckungskette schnell unterbrechen, bevor es überhaupt eine Übertragung gibt. Das ist nicht vergleichbar mit dem Coronavirus.

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