Die Preise steigen langsamer: Im Januar ist die Inflationsrate auf 2,9 Prozent gefallen. Was das bedeutet und wie es nun weitergeht, erklärt der Ökonom Sebastian Dullien im Gespräch mit t-online.

Die Inflation in Deutschland ist im Januar stärker gefallen als von Experten angenommen. Der Ökonom Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) erklärt im Interview mit t-online, warum die Sparanstrengungen der Ampel-Regierung diesem Trend entgegenwirken.

t-online: Herr Dullien, die Inflation ist im Januar deutlich gesunken. Ist es mit dem Preis-Spuk jetzt endlich vorbei?

Sebastian Dullien: Ja, das kann man so sagen. Die aktuellen Zahlen zeigen: Die Inflationsdynamik in Deutschland ist gebrochen. Die Zeiten sehr hoher Teuerungsraten liegen endgültig hinter uns.

Mit welcher Inflationsrate rechnen Sie insgesamt für 2024?

Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Verbraucherpreise im Jahresschnitt um 2,5 Prozent steigen, daran ändert jetzt auch die niedrigere Januarrate nicht viel. Für die kommenden Monate heißt das: Die Teuerungsrate wird noch ein gutes Stück weiter sinken.

Auf breiter Front fallen werden die Preise deshalb aber nicht, oder?

Nein, davon gehen wir nicht aus. Bei den hohen Energiepreisen sind weitere Rückgänge zwar möglich, auch bei einzelnen Lebensmitteln wie Butter oder Olivenöl. Insgesamt aber bedeutet das Absinken der Inflationsraten lediglich, dass die Preise nicht mehr so stark steigen.

Die Bundesregierung hat unlängst den CO₂-Preis stärker angehoben als ursprünglich geplant, zudem ist die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent gestiegen. Läge die Inflation ohne die Ampel-Politik sogar noch niedriger?

Ohne die Maßnahmen der Regierung wäre die Teuerungsrate niedriger. Und das wäre auch gut, denn viele Verbraucher sind derzeit stark verunsichert, wie sich auch an den aktuellen Umsatzzahlen im Einzelhandel zeigt. Die Bundesregierung konterkariert derzeit den Trend fallender Inflationsraten.

Wer leidet besonders unter den steigenden Preisen?

Lange Zeit haben Haushalte mit geringen Einkommen besonders unter der Inflation gelitten, weil vor allem die Preise für Lebensmittel und Energie gestiegen waren – Dinge also, an denen man kaum sparen kann. Jetzt ist das anders, die Inflation hat sich verlagert: Aktuell treiben vor allem die höheren Preise in der Gastronomie die Inflation an. Damit betrifft die Teuerung stärker Haushalte mit mittleren und hohen Einkommen, die öfter essen gehen.

Menschen also, denen die Politik nicht unbedingt noch unter die Arme greifen muss.

Richtig. Angesichts der gesunkenen Inflation sehe ich keine Notwendigkeit für weitere Entlastungen. Viele gesellschaftliche Gruppen haben bereits Unterstützung bekommen, die Bürgergeldempfänger etwa durch eine kräftige Anhebung ihrer Bezüge, die Steuerzahler sind durch deutliche Erhöhungen der Freibeträge entlastet worden.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen zuletzt stark angehoben, um die Inflation zu drücken. Wie groß ist jetzt der Spielraum für ein Absenken des Leitzinses?

Die Inflationsentwicklung ist deutlich günstiger als das, was die EZB erwartet hat. Gleichzeitig stagniert die Wirtschaft. Aus meiner Sicht deutet das darauf hin, dass es die Zentralbank mit der Zinserhöhung übertrieben hat – und dass sie diesen Kurs nun schnell korrigieren sollte. Je länger sie mit Zinssenkungen wartet, desto schädlicher ist das am Ende für die Wirtschaft.



Die Kaufkraft dürfte dieses Jahr im Schnitt steigen.


Sebastian Dullien


Das heißt, Häuslebauer können schon bald wieder auf sinkende Zinsen hoffen?

Die Bauzinsen sind bereits spürbar gefallen. Wer jetzt eine Immobilie finanzieren will, kann mit Zinsen rechnen, die schon jetzt unterhalb des Leitzinsniveaus liegen. Der Grund dafür ist, dass viele Banken die erwarteten Zinssenkungen der EZB bereits vorwegnehmen. Wenn die EZB dann tatsächlich die Zinsen senkt, fallen die Bauzinsen sicherlich noch ein bisschen weiter, aber mit einem allzu großen, schnellen Rückgang würde ich nicht rechnen.

Wir erleben derzeit eine große Streikwelle, zu beobachten an den Lokführern, als Nächstes sind Busfahrer und Flughafenbodenpersonal dran. Wie zuversichtlich können Arbeitnehmer sein, dass die Reallöhne dieses Jahr wieder steigen?

Dort, wo jetzt gestreikt wird, erwarte ich schon noch einmal ein stärkeres Lohn-Plus. In vielen anderen Branchen sind die Lohnsteigerungen aufgrund langer Tarifzeiträume dieses Jahr schon festgeschrieben. Doch auch dort können sich die Arbeitnehmer freuen: Wegen der gesunkenen Inflationsraten dürfte die Kaufkraft dieses Jahr im Schnitt steigen.

Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Dullien.

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