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VW, BMW, MAN: Ex-Vorständin Werner kennt die deutsche Autobranche von innen. Im Interview mit t-online erklärt sie, wie die schwächelnde Branche das Ruder noch herumreißen kann.

Die deutsche Wirtschaft und vor allem die Automobilindustrie schwächeln. Entsprechend groß ist der Druck auf die neue Bundesregierung. Hiltrud D. Werner kennt als frühere VW-Vorständin gleich mehrere große Autokonzerne und Zulieferer von innen.

Im Interview mit t-online erklärt Werner, warum Deutschland sich beim Unternehmensrecht stärker an den USA orientieren sollte, weshalb sie vom Umgang mit Trumps zweiter Amtszeit enttäuscht ist und was sie jungen Frauen für die Arbeit in Großkonzernen rät.

t-online: Ein großer Autokonzern nach dem anderen verzeichnet aktuell deutliche Gewinneinbußen. Was läuft falsch in der deutschen Automobilbranche?

Hiltrud D. Werner: Obwohl die Probleme in jedem Unternehmen etwas anders gelagert sind, scheint es, dass die bislang guten Gewinne aus Fernost strukturelle Probleme im Heimatmarkt verschleiert haben. In China sind die Absatzzahlen deutlich zurückgegangen. Soweit ich das beurteilen kann, hat auch die Politik einen Anteil an der Situation in diesem wichtigen Wirtschaftssektor.

Wie kaum eine andere Branche ist die Automobilindustrie von einer vorausschauenden, langfristigen Gesetzgebung und Infrastrukturpolitik abhängig. Die Entwicklung eines Fahrzeuges dauert bis zu 60 Monate und genutzt wird es oft ein ganzes Jahrzehnt – da darf nicht in Legislaturperioden gedacht werden. Sonst wird das nichts mit der Verkehrswende.

Woran hapert es da aktuell?

Der Rechtsrahmen überfordert die Unternehmen. Die Kaufentscheidung liegt beim Kunden. Das Angebot emissionsarmer oder -freier Fahrzeuge ist gut. Die Ladeinfrastruktur in Deutschland und auch in anderen EU-Ländern ist dagegen immer noch nicht ausreichend, aber die Konzerne müssen hohe EU-Strafen überweisen, wenn sie die Flottenziele nicht erreichen. Jede Überweisung von Strafzahlungen an die EU ist eine Schwächung der hiesigen Industrie gegenüber den ausländischen Mitbewerbern. Die fehlende volkswirtschaftliche Strategie bringt Unsicherheit in den Markt, ebenso kam auch der sehr kurzfristige Wegfall der E-Autosubventionen zur falschen Zeit.

Werner: „Ich denke, viele haben Trumps zweite Amtszeit unterschätzt.“ (Quelle: privat)

Würde eine neue staatliche Förderung denn ausreichen, um die Deutschen vom E-Auto zu überzeugen?

Nein. Ein weiterer wichtiger Faktor ist und bleibt das unkomplizierte Laden zu fairen Strompreisen. Laden muss überall mit Kreditkarte und ohne 20 verschiedene Apps funktionieren. Der Strom darf außerdem nicht ein Vielfaches vom Laden zu Hause kosten. Das fällt mir selbst immer wieder störend auf, wenn ich elektrisch fahre. Tankstellen entlang der Autobahn sind zwar teurer – aber nicht um 200 Prozent. Da läuft etwas falsch. Jeder kann sich für seine Mobilität den Preis pro Kilometer ausrechnen und dann Bahn, Verbrenner und E-Auto vergleichen. Solange das E-Auto hier nicht gewinnt, haben wir ein Problem.

Inwiefern ist die Unsicherheit durch die Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump in der Branche zu spüren?

Ich denke, viele haben Trumps zweite Amtszeit unterschätzt und meinten, es würde so wie bei seiner ersten Amtszeit. Aber er ist diesmal deutlich besser vorbereitet. Es scheint, als sei ihm Kritik nicht nur egal, sondern als genieße er sie geradezu. Deutsche Hersteller bekommen besonders die amerikanische Abschottung gegenüber Kanada und Mexiko zu spüren, dort haben viele Firmen auch für die Versorgung Amerikas investiert.

1966 in Bad Doberan geboren, absolvierte Hiltrud D. Werner zunächst eine Ausbildung als Facharbeiterin in Textiltechnik. Es folgte das Abitur und ein Studium der Mathematischen Methoden und Datenverarbeitung in der Wirtschaft in Halle-Wittenberge. Ihre berufliche Laufbahn begann Werner bei Softlab. Es folgten Stationen bei BMW, MAN und ZF Friedrichshafen. 2016 übernahm sie die Konzernrevision bei VW, ein Jahr später wurde sie zur Vorständin für Integrität und Recht berufen. Ihr Vertrag lief 2022 aus. Sie sitzt im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG und der Hensoldt AG.

Darauf müssen die deutschen Konzerne jetzt kurzfristig reagieren. Sie haben ihren früheren Arbeitgeber VW als riesigen Tanker beschrieben. Kann das Gegensteuern da gelingen?

Volkswagen und andere deutsche Automobilhersteller und Zulieferer befinden sich bereits in einer konsequenten Umbauphase. Es ist schwer zu sagen, was die Zukunft bringt. Vielleicht hat die Automobilindustrie in zehn Jahren in Deutschland nicht mehr 800.000 Beschäftigte. Ich bin mir jedoch sicher, dass auch dann noch viele schöne Modelle hier entwickelt und gefertigt werden.

Es ist nicht nur die Autobranche, die gesamte deutsche Wirtschaft schwächelt seit mehr als zwei Jahren. Was muss die neue Bundesregierung als Erstes angehen?

Die Themen sind aus meiner Sicht erkannt. Einer der größten Hebel ist die Bürokratie. Ich habe erst kürzlich von einem Kollegen gehört, dass bei BMW mehr als 50 Personen nur an der Erstellung von Berichten arbeiten – das ist zu viel. Für viele Politiker stellen diese Berichtspflichten aber eine Art Sicherheit dar. Wenn alles irgendwo dokumentiert ist, erweckt das den Eindruck, dass nichts durchrutscht und die Verantwortung liegt erstmal wieder bei den Unternehmen. Um effizienter zu werden, muss Deutschland die Art der Gesetzgebung ändern.

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