Babak Rafati wollte sich 2011 in Köln das Leben nehmen. Das war nicht sein einziger Versuch. Heute erklärt er, wovor er Angst hatte und wie sich Depressionen anfühlen.

Es herrscht Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, der Klimawandel sitzt uns im Nacken, wir erleben Leistungsdruck in der Arbeitswelt und im Internet lesen wir Nachrichten voller Hass, Häme und Diskriminierung. Das alles schürt Angst. Prominente Persönlichkeiten beantworten in der Serie „Wovor haben Sie Angst, …?“ die Frage nach dem furchtbarsten aller Gefühle, suchen Ursachen und Wege, mit ihm umzugehen.

Babak Rafati, ehemaliger Schiedsrichter der Fifa und in der Bundesliga:

„Als Kind hatte ich Angst vor der Dunkelheit, vor unbekannten Geräuschen oder Monstern. Ich hatte Angst, weil ich nicht wusste, was sich in der Dunkelheit verbarg oder woher die Geräusche kamen. Unserem Sohn zeige ich deshalb sofort, von wo der Krach herkommt, wenn er sich fürchtet, damit er seine Angst zuordnen und verstehen kann.

„Ich hatte Angst, Fehler zu machen“

Als Schiedsrichter hatte ich Angst davor, Fehler zu machen und meinen Job zu verlieren. Ich hatte Angst vor meinen Vorgesetzten. Einer meiner Chefs deutete mehrfach an, dass er mich aussortieren würde. Das Geschäft verbrenne Leute, die falsche Entscheidungen treffen, sagte er mir. Dadurch wurde ich unsicher und emotional, konnte nicht klar denken und machte automatisch den nächsten Fehler. Heute würde ich nachfragen, wie er das mit dem Verbrennen meine. Eine adäquate Antwort würde ich wahrscheinlich trotzdem nicht bekommen. Mittlerweile versuche ich, solche Aussagen nicht mehr an mich heranzulassen. Damals habe ich es aber zugelassen, dass seine Worte mich verletzten.

Babak Rafati: Mittlerweile arbeitet er nicht mehr als Schiedsrichter. (Quelle: IMAGO/Ulrich Hufnagel/imago)

Zur Person

Babak Rafati, geboren 1970, ist ehemaliger Schiedsrichter im Profifußball. Er wurde als Kind iranischer Eltern in Deutschland und im Iran groß. In Hannover machte er eine Lehre zum Bankkaufmann. 1997 pfiff er zum ersten Mal als DFB-Schiedsrichter, ab 2007 in der Bundesliga, von 2008 bis 2011 auch internationale Spiele. Am 19. November 2011 sollte er das Bundesligaspiel zwischen dem 1. FC Köln und dem 1. FSV Mainz 05 leiten, dazu kam es aufgrund seines Suizidversuchs nicht. Insgesamt pfiff er 84 Bundesligaspiele und 102 Zweitligapartien. Rafati ist heute Business Speaker in Unternehmen und Mentalcoach für Fußballer und Topmanager zu Themen wie Stressmanagement, Motivation und Führung am Arbeitsplatz, Persönlichkeitsentwicklung und Burnout-Prävention.

In dieser Zeit litt ich an einer Depression. Die Depression ist brutal. Wegen ihr dachte ich, ich bin nicht gut genug, keiner liebt mich. Ich fragte mich, warum immer ich. Ich fand alles ungerecht, war antriebslos, konnte nicht schlafen und hatte Selbstzweifel. Ich wollte mich in einem dunklen Keller verstecken, damit keiner fragen kann, was los ist. Die Depression machte mich machtlos. Bei meinem Suizidversuch habe ich nicht einen Moment an den Tod gedacht. Es gab keinen Gedanken an die Angst davor, zu sterben. Alles, was ich wollte, war, diesen hässlichen, unmenschlichen Film in meinem Kopf zu beenden. Ich hielt ihn nicht mehr aus.

Meine Ängste fühlten sich verwirrend an. Ich drehte mich immer wieder im Kreis und konnte nicht handeln. Als Schiedsrichter steckte ich 18 Monate in einer Krise, in der ich diese Ängste fühlte. Ich fühlte sie noch weitere zwei Jahre während meiner Heilungsphase. Davor und danach kannte ich diese Gefühle nicht, weil ich eigentlich ein fröhlicher und positiver Mensch war und bin.

„Ich wurde ohnmächtig und konnte nicht handeln“

Leitete zu seiner aktiven Zeit Spiele der 1. und 2. Bundesliga, von 2008 bis 2011 auch Länder- und internationale Spiele: Schiedsrichter Babak Rafati.
Schiedsrichter Babak Rafati: „Ich hatte Angst, meinen Job zu verlieren.“ (Quelle: imago/Contrast)

Damals wusste ich nicht, wie ich mit Stress umgehen soll. Ich kannte meine Stärken und Schwächen nicht, weil ich mehr auf die Außenwelt und deren Bedürfnisse schaute als auf meine eigenen. Mir war wichtig, was andere denken. Ich war Perfektionist. Ich verstand die Zusammenhänge nicht, warum meine Chefs so reagierten, wie sie reagierten. Das hat mich zermürbt. Mein Inneres war mir fremd.

Die Schuld dafür sah ich bei meinen Vorgesetzten. Damit verlor ich die Kontrolle über mich selbst und legte sie in die Hände meiner Chefs. Sie hatten die Macht, mit mir machen zu können, was sie wollten. Es war ein Teufelskreis. Heute weiß ich: Ich allein bin verantwortlich für den Suizidversuch.

„Ich war es leid, als Schiedsrichter immer stark sein zu müssen“

Auf dem Platz spielte ich meine Rolle. Innerlich fühlte ich anders, als ich nach außen aufgetreten bin. Ich war es leid, als Schiedsrichter immer stark sein zu müssen. Dieses „Stark-Sein“ habe ich falsch interpretiert. Ich war nicht stark. Ich war schwach, weil ich meine Ängste und Empfindungen nicht ausdrücken konnte. Stark ist es, ich selbst zu sein und über meine Gefühle zu sprechen. Es ist verdammt stark, als Mann auch zu weinen.

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