Wollen wir das im schlimmsten Fall Töten von Menschen tatsächlich autonomen Maschinen überlassen? Ich denke nicht.
Ich bin Oberstleutnant Gerald. Ich höre auf das Callsign „Titan“, denn ich bin Eurofighter-Pilot in der deutschen Luftwaffe und derzeit eingesetzt als Staffelkapitän der zweiten fliegenden Staffel des taktischen Luftwaffengeschwaders 31 Boelcke in Nörvenich und ich und ich freue mich darauf, heute eure Fragen zu beantworten.
Welche Arten des Luftkampfes trainieren Sie?
Einfache Antwort: Alle. Wir unterscheiden in der Luftwaffe zwischen sogenanntem missionized und non-missionized Training. Beim non-missionized Training erarbeiten wir uns Handwerkszeug. Das beginnt mit dem einfachen Luftnahkampf, eins gegen eins. Wird erweitert durch den Kampf von zwei Flugzeugen in einer Formation gegen einen einzelnen Gegner und nimmt dann in der Komplexität zu. Beim sogenannten missionized Training hingegen konzentrieren wir uns auf komplexe Einsatzszenarien, in denen wir mit vielen anderen Flugzeugen gemeinsam auf ein bestimmtes militärisches Ziel hinarbeiten. Und dort müssen wir all unsere Fähigkeiten zum Einsatz bringen. Denn der Eurofighter ist ein Mehrrollenflugzeug. Und damit beschränken wir uns nicht nur auf den Luftkampf, sondern auch auf den Bodenangriff und die taktische Luftbildaufklärung.
Welche Ausrüstung ist im Notfall an Bord? Auch falls der Notausstieg hinter feindlichen Linien erfolgt? Und wird so ein Notfall regelmäßig trainiert?
Unsere Ausrüstung richtet sich an den Einsatzerfordernissen aus. Das bedeutet, im regelmäßigen Friedens-Flugbetrieb ist die Ausstattung eine ganz andere als in einem Kampfeinsatz. In Deutschland haben wir ein persönliches Locator-Beacon dabei, also eine Art Notfunkgerät, das automatisch ausgelöst wird, sobald wir aus dem Flugzeug geschossen werden. Dieses ermöglicht Rettungskräften, den Piloten nach einem Ausstieg, selbst wenn dieser bewusstlos ist und vielleicht in einem Wald mit seinem Fallschirm hängengeblieben ist, zuverlässig zu finden. Im Einsatzfall wird diese Ausrüstung durch GPS Locator-Funkgeräte ergänzt und zusätzlich tragen wir dann natürlich auch Bewaffnung am Mann. Welche Bewaffnung genau, ist an den Einsatz angepasst. Grundsätzlich üblich wäre aber eine einfache Faustfeuerwaffe wie eine Pistole P8 direkt am Mann mitzuführen und zusätzlich eine Automatikwaffe im Sitzkit. In der Bundeswehr müssen wir diese Verfahren natürlich regelmäßig trainieren. Dafür haben wir den sogenannten SERE-Charlie-Lehrgang. Dieser ist regelmäßig zu wiederholen.
Wie würden Sie das Gefühl beschreiben, wenn Sie die Schallmauer durchbrechen?
Die Frage höre ich wirklich oft und ich würde sie gerne total enthusiastisch beantworten. Aber leider ist die Antwort ziemlich langweilig. Gar nicht. Es gibt in modernen Kampfflugzeugen exakt überhaupt kein Gefühl. Es fühlt sich in etwa so an, als würde man in aller Ruhe in einem ICE sitzen und bei 300 km/h einen Kaffee trinken. Denn im Flugzeug kommt es weder zu irgendwelchen besonderen Vibrationen oder Geräuschen. Nicht mal die akustische Untermalung ändert sich. Denn obwohl wir uns mit Überschallgeschwindigkeit bewegen, bedeutet das mitnichten, dass wir nichts mehr hören können. Denn die Geräusche des Flugzeugs selbst, also auch von den Triebwerken, die sich hinter uns befinden, werden ja auch über die Triebwerkszelle und über das gesamte Flugzeug übertragen. Das Einzige, was sich ändert, ist eine Zahl im Head-up-Display.
Ab welcher Höhe benötigen Sie eine Sauerstoffmaske?
In strahlgetriebenen Kampfflugzeug der Bundeswehr ist die Besatzung grundsätzlich bereits am Boden über eine Maske mit Sauerstoff zu versorgen. Notwendig aus physiologischer Sicht wäre das ab etwa 10.000 Fuß, also knapp über drei Kilometer Höhe, da der Körper in diesem Bereich nicht mehr in der Lage ist, die abnehmende Sauerstoffsättigung in der Luft und den abnehmenden Luftdruck vollständig zu kompensieren. Da das Flugzeug aber über eine Druckkabine verfügt, wird dieser Kabinendruck erst in größeren Höhen erreicht.
Ab welcher Höhe ist der Ausstieg mit dem Schleudersitz sicher für die Landung mit einem Fallschirm?
Nahezu alle modernen Schleudersitze und damit auch der, den wir nutzen, sind sogenannte Zero-Zero-Sitze. Das heißt, für einen sicheren Ausschuss, benötige ich weder Höhe noch Geschwindigkeit. Ich kann mich also am Boden stehend aus meinem Flugzeug herauskatapultieren und werde sicher mit dem Fallschirm landen.
Stimmt es, dass man nach mehrmaligen Aussteigen mit dem Schleudersitz ein Kampfjet nicht mehr fliegen darf, weil das die Wirbelsäule schädigt?
Nun, es gibt keine festgezurrte Höchstgrenze dafür. Aber natürlich ist ein Ausschuss mit dem Schleudersitz, bei dem bis zu 15G, die 15-fache Erdbeschleunigung bewirken können, nicht gerade gesund für den Bewegungsapparat. Dabei kann es zu Verletzungen kommen und im schlimmsten Fall auch zu bleibenden Schäden. Ob ich nach einem Schleudersitz-Ausschuss weiterfliegen kann, hängt also davon ab, was mein Körper zu dieser Aktion sagt. Und das wird ein Flieger-Arzt evaluieren müssen. Es gibt genug Kameraden, die auch nach mindestens einem oder vielleicht sogar mehreren Schleudersitz-Ausschüssen wieder geflogen sind. Heutzutage sind diese Ausstiege aber extrem selten geworden, sodass die meisten Geschichten viele, viele Jahre zurückliegen. Moderne Kampfflugzeuge sind schlicht und ergreifend wesentlich sicherer geworden, als es ihre Urahnen waren. Und während die Starfighter zum Höhepunkt der Starfighter-Krise mehrmals wöchentlich abgestürzt sind, kommt das beim Eurofighter annähernd überhaupt nicht mehr vor. In der gesamten Nutzungsdauer, die die Luftwaffe dieses Flugzeug betreibt, und zwar seit 2003, haben wir noch kein einziges Flugzeug aufgrund von technischem Versagen verloren. Die beiden Eurofighter, die die Luftwaffe dennoch verloren hat, sind durch einen Zusammenstoß, also eine Mid-Air-Collission zerstört worden. Dabei konnte sich zumindest ein Luftfahrzeugführer mit dem Schleudersitz retten, während der andere leider direkt durch den Zusammenstoß getötet wurde.
Hat der Job als Kampfjetpilot Zukunft oder werden wir bald nur noch ferngesteuerte oder mit eigener KI ausgestattete Kampfflugzeuge sehen?
Nun, ich denke, das ist eine sehr vielschichtige Frage und unterschiedliche Menschen haben sehr unterschiedliche Meinungen zu dem Thema. Fakt ist aber, dass alle derzeitigen Kampfflugzeugentwicklungen der sechsten Generation, also Kampfflugzeuge, die in den Jahren 2040 und später überhaupt erst eingeführt werden, bemannt sind, wenigstens optional bemannt. Sicherlich wird KI und Drohnen eine immer größere Rolle spielen. Ich persönlich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass vollautonome Waffensysteme den Einsatz auf den Schlachtfeldern der Zukunft übernehmen würden. Denn hier blicken wir ja auch auf eine sehr starke ethische Komponente. Wollen wir das im schlimmsten Fall Töten von Menschen tatsächlich autonomen Maschinen überlassen? Ich denke nicht. Ich persönlich vermute, dass das Kampfflugzeug mit einem Piloten an Bord mehr die Rolle eines sogenannten Battlefield Managers übernehmen wird und zusammen mit unbemannten Waffensystemen einen Einsatz führen wird.