Vor Asylgesprächen
Esken warnt: „Forderungen gehen politisch ins Blaue hinein“
Aktualisiert am 10.09.2024 – 10:58 UhrLesedauer: 3 Min.
Vor den anstehenden Migrationsgesprächen kommen mahnende Stimmen aus der Ampelkoalition. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken warnt vor überzogenen Maßnahmen gegen Migration. Auch die Grünen befürchten eine „Spaltung Europas“.
Vor den Asylgesprächen zwischen Ampelregierung und Unionsfraktion hat die SPD-Vorsitzende Saskia Esken CDU und CSU vor überzogenen Maßnahmen gewarnt. „Die Begrenzung der irregulären Migration ist notwendig, aber sie muss auf rechtlich wasserdichten Grundlagen geschehen“, sagte Esken den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir können nicht einfach EU-Recht und Grundgesetz aushebeln.“
Die SPD-Chefin kritisiert, viele Forderungen beim Thema Migration gingen „derzeit auch politisch ins Blaue hinein und überhitzen damit die Debatte“. „Um die Migration zu regeln, braucht es aber kein Ressentiment, sondern konkret wirksame Politik, wie die Bundesregierung sie vorgeschlagen hat“, fügte Esken hinzu.
Aus ihrer Sicht gibt das von der Bundesregierung angekündigte Sicherheitspaket die richtigen Antworten auf die Bedrohung durch islamistische Gewalttaten. Esken zeigte sich mit der Union einer Meinung, dass islamistische Straftäter ihren Schutzanspruch verwirkt hätten und daher abgeschoben werden müssten. Gleichzeitig komme es darauf an, dass „Deutschland ein freundliches Gesicht“ behalte. Denn nur dann kämen neue ausländische Fachkräfte gerne hierher.
Die Bundesregierung will am Dienstag mit der Unionsfraktion über die Migrationspolitik sprechen. Unionsfraktions- und CDU-Chef Friedrich Merz hatte allerdings eine Ausweitung der Zurückweisungen an den deutschen Grenzen zur Bedingung für eine Fortsetzung der Gespräche gemacht.
Lange war nicht klar, ob das anvisierte Treffen zwischen der Regierung, der Union als größter Oppositionskraft im Bund sowie Ländervertretern zustande kommt. Am Vormittag gab der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, bekannt, dass die Union am für 15 Uhr geplanten Spitzentreffen teilnehmen wird. Man sei in Kontakt mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser gewesen, sagte der CDU-Politiker in Berlin. „Deswegen ist unser Ansatz der, dass wir uns in der Situation nicht dem Gespräch verweigern. Wir werden es führen.“
Bereits in der vergangenen Woche hatten sich Vertreter von Regierung, Unionsfraktion und Bundesländern getroffen. Am Montag ordnete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an, als Maßnahme gegen die irreguläre Migration vorerst Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen vorzunehmen. Die Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate andauern. Auch habe die Regierung ein „Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt“, hieß es vom Ministerium. Faeser sagte, sie habe dies der Unionsfraktion mitgeteilt und vertrauliche Gespräche dazu angeboten.
Für die Grünen blieben nach dem Vorstoß von Faeser noch viele Details unklar. „Es gibt in der Tat eine Reihe von Fragen, die jetzt mit dieser Ankündigung einhergehen“, sagte der Parteivorsitzende Omid Nouripour im Deutschlandfunk. Auf die Frage, ob er wisse, was Faeser bei ihren Vorschlägen vorschwebe, antwortete Nouripour: „Nein, ich weiß es nicht.“ Er sei trotzdem bereit, alles zu diskutieren, was rechtens und machbar sei, so Nouripour.
Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic warnte indes erneut vor einer Kettenreaktion, sollte Deutschland umfassend an den Grenzen zurückweisen. „Das hätte natürlich einen Dominoeffekt zur Folge“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion im ARD-Morgenmagazin.
Mihalic warnte vor einer Aussetzung internationalen Rechts und einer Spaltung Europas. „Der Leidtragende wäre Deutschland. Denn wir profitieren gerade von der europäischen Einigung, gerade auch in Migrationsfragen.“
Kanzler Scholz versicherte, der Regierung sei es ernst mit gemeinsamen Lösungen. „Wir würden uns auch freuen, wenn wir da noch was gemeinsam machen können, auch mit der Opposition“, sagte der SPD-Politiker beim Sommerfest der Parteizeitung „Vorwärts“. „Im Rahmen klarer Prinzipien. Aber wir würden uns wirklich freuen.“ Von SPD-Seite sei das Angebot ehrlich gemeint. „An uns wird es nicht liegen, falls es nicht klappt“, sagte der Kanzler weiter.
Scholz verwies zugleich darauf, dass die Bundesregierung bereits Gesetze auf den Weg gebracht habe sowie auf das unlängst vorgelegte Sicherheitspaket. Es sieht Maßnahmen für eine härtere Gangart bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer vor, Schritte zur entschiedeneren Bekämpfung des islamistischen Terrors und Verschärfungen beim Waffenrecht. Es soll bereits am Donnerstag im Bundestag beraten werden.