Die Spitzen der deutschen Geheimdienste sehen die Sicherheit Deutschlands von Gegnern im In- und Ausland massiv bedroht – und fordern zusätzliche Befugnisse für die Abwehr solcher Gefahren.
Spionage, Sabotage, wachsende Kriegsgefahr: Die Spitzen der deutschen Geheimdienste sehen Deutschland immer massiver durch Russland bedroht. Russland rüste intensiv auf und könnte bis 2030 in der Lage sein, „einen Angriff gegen die Nato auszuführen“, sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, am Montag in einer Anhörung vor dem Bundestag. Um sich gegen diese und andere Bedrohungen besser wappnen zu können, forderten die Vorsitzenden der drei deutschen Geheimdienste zusätzliche Befugnisse.
In ihrer jährlichen Anhörung vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium zeichneten BND-Chef Kahl, Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang und die Chefin des Militärischen Abschirmdiensts (MAD), Martina Rosenberg, ein von Sorgen geprägtes Bild. Zusätzlich zur Gefahr durch Russland werde Deutschlands Sicherheit auch durch das Handeln von Ländern wie China und Iran bedroht. Im Inneren wachse das Risiko durch Islamismus und Rechtsextremismus. „Es brennt quasi überall“, resümierte Haldenwang.
Russland sehe Deutschland wegen der Unterstützung der Ukraine als Gegner, sagte Kahl. „Ob wir wollen oder nicht: Wir stehen in einer direkten Auseinandersetzung mit Russland“, sagte der BND-Chef. „Die Feinderklärung hat Putin längst vorgenommen.“ Das langfristige Ziel von Kreml-Chef Wladimir Putin sei die Schwächung des Westens und der Aufbau einer neuen Weltordnung, wobei „eine direkte militärische Auseinandersetzung mit der Nato zu einer Handlungsoption für Russland“ werde.
Auch innerhalb Deutschlands hätten russische Aktivitäten „in den vergangenen Monaten ein Niveau erreicht, das für alle ein Weckruf sein sollte“, warnte Verfassungsschutzchef Haldenwang. „Wir beobachten ein aggressives Agieren der russischen Nachrichtendienste“, sagte er. „Insbesondere nehmen russische Spionage und Sabotage in Deutschland zu, sowohl qualitativ als auch quantitativ.“
Haldenwang berichtete von Desinformationskampagnen, dem Einsatz von Spionagedrohnen, dem versuchten Platzieren von Sprengstoffpaketen in Transportflugzeugen und dem Versuch Russlands, Menschen auch aus dem Bereich der organisierten Kriminalität gegen Geld für seine Zwecke anzuwerben.
Besonders im Visier Russlands stehe die Bundeswehr, ergänzte MAD-Präsidentin Rosenberg. Das Maß russischer Aktivitäten sei „besorgniserregend“ – „sei es, um deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine, Ausbildungsvorhaben oder Rüstungsprojekte aufzuklären, oder um durch Sabotagehandlungen das Gefühl der Unsicherheit zu vermitteln“. Es gebe im Bereich der Bundeswehr einen „deutlichen Zuwachs an Spionage- und Sabotagehandlungen“.
Alle drei Geheimdienstvorsitzenden machten deutlich, dass ihre Dienste für eine effektive Arbeit weitere Befugnisse bräuchten. Offen kritisch äußerte sich BND-Chef Kahl zu den Plänen der Ampelkoalition, die politische und rechtliche Kontrolle über die Geheimdienste weiter auszubauen. Mehr Kontrolle gehe zulasten der Effizienz – und damit „zulasten eines Lebens in Sicherheit und Freiheit“, warnte er. „Wir dürfen uns unseren Output nicht völlig abwürgen lassen.“