Ballaststoffe fördern die Gesundheit auf vielfältige Weise. Doch viele Menschen reagieren auf eine erhöhte Zufuhr mit Völlegefühl und Blähungen. Was hilft?
Mindestens 30 Gramm Ballaststoffe sollen wir täglich zu uns nehmen – so die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Doch viele Menschen, die im Rahmen einer Ernährungsumstellung den Ballaststoffanteil in ihrer Ernährung deutlich erhöhen, klagen über unangenehme Verdauungsbeschwerden. Warum es zu Völlegefühl und vermehrter Gasbildung kommt, weiß Ernährungswissenschaftlerin Brigitte Neumann aus Uttenreuth.
Eine ballaststoffreichere Ernährung verringert nicht nur das Risiko, an kardiovaskulären Erkrankungen oder Krebserkrankungen zu versterben, sondern senkt auch das Sterblichkeitsrisiko insgesamt, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Klingt gut – und motiviert viele Menschen, die Ernährung anzupassen und mehr Ballaststoffe in den täglichen Speiseplan aufzunehmen.
30 Gramm pro Tag sollten es mindestens sein. Die DGE betont, dass sich die Ballaststoffzufuhr leicht durch mehr Gemüse und Obst, dabei vor allem auch Hülsenfrüchte und Nüsse, sowie Vollkornprodukte steigern lasse. Mit der Wahl der Vollkornvariante bei Getreideprodukten wie Brot, Nudeln, Reis sowie täglich drei Portionen ballaststoffreichem Gemüse und zwei Portionen Obst sei die Versorgung gesichert.
Doch die anfängliche Euphorie der angepassten Ernährung lässt bei vielen oft schnell nach. Zwar ist man länger satt und der Heißhunger wird weniger, doch dafür schleichen sich häufig Verdauungsbeschwerden ein: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen, die mehr Ballaststoffe aufnehmen, von unangenehmem Völlegefühl, Blähungen, Magendrücken und möglicherweise sogar von Durchfall und Verstopfung berichten“, weiß Brigitte Neumann.
Das liegt zum einen daran, dass einfach mehr im Darm drin ist und dieser mehr leisten muss. Ballaststoffe sind unverdauliche Pflanzenbestandteile. Außerdem dienen sie den Darmbakterien als Futter. Haben diese mehr zu tun, nimmt die Gasbildung zu. Auch die Verdauung ballaststoffreicher Nahrung benötigt länger. Wir sind länger satt und fühlen uns – gerade bei größeren Portionen – länger „voll“.
Die unverdaulichen Nahrungsbestandteile finden sich ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln:
- hauptsächlich in den Randschichten des Getreidekorns (Müsli, Vollkornprodukte, Haferflocken)
- in Hülsenfrüchten (beispielsweise Linsen, dicke Bohnen, Sojabohnen und Kichererbsen)
- Gemüse (beispielsweise Gemüsepaprika, Karotten, Brokkoli, Schwarzwurzeln, Artischocken)
- Obst (beispielsweise Birne, Rhabarber, Beeren)
- Nüsse und Samen (beispielsweise Mandeln, Kokosraspeln und Leinsamen)
- Pilze (beispielsweise Steinpilze und Pfifferlinge)
„Besonders Vollkornbrote mit einem längeren Gärprozess sind gute Ballaststoff-Lieferanten. Denn die Teigreifung während der Gärung macht die schwer verdaulichen Ballaststoffe aus dem vollen Korn bekömmlicher“, sagt Neumann.
Brigitte Neumann ist Diplom-Ökotrophologin aus Uttenreuth. Die freiberufliche Ernährungswissenschaftlerin ist in der Erwachsenenbildung tätig. Sie hält unter anderem Vorträge in Schulen und Firmen und arbeitet mit Verbänden, Institutionen, Krankenkassen und Ärzten zusammen.
Grundsätzlich unterscheiden Ernährungsexperten zwischen löslichen und unlöslichen Ballaststoffen. Lösliche Ballaststoffe wie Pektin, Oligofruktose und Inulin sind vorwiegend in Obst und Gemüse enthalten, etwa in Erdbeeren, Artischocken, Brokkoli, Knoblauch, Lauch- und Zwiebelgewächsen, Linsen sowie Pflaumen. Durch die Quellstoffe wird der Stuhl voluminöser und gleitfähiger. Ein Zuviel kann Durchfall begünstigen.
Unlösliche Ballaststoffe wie Zellulose, Lignin und Hemizellulose kommen vorwiegend in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Pilzen vor. Sie quellen im Darm auf und sorgen für Masse. Ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr kann es zu Verstopfung kommen.
„Steigern Sie Ihre Ballaststoffzufuhr langsam. Starten Sie mit kleinen Mengen und geben Sie Ihrer Darmflora Zeit, sich an den neuen Speiseplan zu gewöhnen. Probieren Sie aus, welche Ballaststoffe Ihnen gut bekommen“, rät Neumann. „Haben Sie auch nach längerer Eingewöhnungsphase immer wieder Probleme mit bestimmten Ballaststoffen, tauschen Sie diese gegen verträglichere aus.“
- Ausreichend trinken: Ballaststoffe binden reichlich Wasser. Wer genügend trinkt, beugt Verstopfung vor.
- Langsam steigern: Steigern Sie die Ballaststoffzufuhr langsam. Ein großer Smoothie oder die Schüssel Müsli kann einen ungeübten Darm überfordern.
- Regelmäßig bewegen: Bewegung unterstützt die Verdauungsfunktion und den Abtransport von Gasen. Seien Sie regelmäßig aktiv.
- Gekocht statt roh: Rohes Gemüse und Getreide ist für so manchen Darm überfordernd. Gekochtes ist oft besser verträglich.
- Gut kauen: Die Verdauung beginnt bereits im Mund. Entlasten Sie Ihren Magen-Darm-Trakt, indem Sie ihr Essen gut kauen und einspeicheln.
- Pausen zwischen den Mahlzeiten: Geben Sie Ihrer Verdauung Zeit für die Verarbeitung der Nahrung, bevor Sie wieder essen – um die drei Stunden sollten es sein.
- Kleinere Portionen: Essen Sie mehrere kleine statt wenige große Portionen, wenn Sie mit Völlegefühl und Blähungen auf das ballaststoffreichere Essen reagieren. Das entlastet die Verdauung.
„Jeder Körper reagiert ganz individuell auf verschiedene Lebensmittel. Was dem einen bekommt, tut dem anderen nicht gut. Es ist eine Sache des Ausprobierens – auch bei Ballaststoffen“, erklärt Neumann.
Wer häufig unter unangenehmen Völlegefühlen und einer verstärkten Gasbildung leidet, immer wieder Verstopfung oder Durchfall hat oder bereits bei geringen Essensmengen Beschwerden verspürt, sollte aufmerksam werden. Dann kann möglicherweise eine Erkrankung hinter den Beschwerden stecken, zum Beispiel eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, ein Reizmagen oder ein Reizdarm. „Es ist nicht normal, regelmäßig Verdauungsstörungen zu haben“, sagt Neumann. „In einem solchen Fall sollten Sie einen Arzt aufsuchen und die Ursache klären lassen.“