Düsseldorf steht kopf kurz vor dem Ende des EM-Kapitels in der Stadt. Ein Meer aus Plastikbechern und ein Schalker als Fotostar begleiten die Feier.

Es ist der letzte EM-Spieltag in Düsseldorf – und zum Abschluss kam nochmal eine ganz spezielle Fangemeinde in die Landeshauptstadt: die der Engländer. Die Altstadt wurde ihrem internationalen Ruf als „Längste Theke der Welt“ wieder einmal gerecht – nur war sie wohl selten so verdreckt wie nach dem Besuch Tausender englischer Fans, die wie ein Sturm durch die Straße fegten.

Rund drei Stunden vor dem Anpfiff haben sich die Fans auf die Bars der Bolkerstraße verteilt. Die englischen Anhängerinnen und Anhänger sind klar in der Überzahl, aber auch Schweizer und niederländische Fans sind darunter. Das Polizeiaufgebot ist größer als bei den vorangegangenen vier Spielen.

Getränke gibt es nach einer Verfügung der Stadt nur in Plastikbechern. Die Gaststätten halten sich daran, obgleich Alt in Bechern vielen Düsseldorfern ziemlich befremdlich vorkommen muss. Die englischen Fans singen ununterbrochen. Sonnenschirme und Geländer haben sie mit der immer gleichen rot-weißen Fahne dekoriert. Darauf: der Name der Stadt, das Wappen des Lieblingsclubs oder das Konterfei eines Saufkumpanen in memoriam.

Manche haben sich als Ritter verkleidet, inklusive Kettenhaube. Auf der Hunsrückenstraße bahnt sich eine Gruppe von Mitarbeitenden des Ordnungsamts einen Weg durch die Menge. Die Fans rufen ihr auf Deutsch „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen“ zu – vermutlich halten sie sie für Polizeibeamtinnen und -beamte.

In den Kasematten am Rheinufer tanzen englische Fans Arm in Arm auf den Tischen. Auf dem Rathausvorplatz spielt eine Bigband Hits wie „Valerie“ und „Hey Jude“. Das können insbesondere die Fans von der Insel gut mitsingen, gehört das inbrünstige gesungene „Naa naa naa nananana“ des Beatles-Klassikers schließlich zum englischen Liedgut in den Stadien. Unter den feiernden englischen, schweizerischen und niederländischen Fans taucht plötzlich Mohammed Albatnawe, genannt „Momo“, auf. Der Schalke-Anhänger hat es zu einigem Internet-Ruhm gebracht, weil er mehrere Becher Bier auf seinem Kopf balancieren kann. Man muss ihn nicht kennen, um ein Selfie mit ihm zu wollen, das Kunststück spricht für sich. Momo wird umgehend zum Fotomotiv.

Mehrere Becher Bier nicht auf, aber im Kopf haben die englischen Fans auf der Bolkerstraße kurz vor dem Anpfiff. Die wiederum ist übersät mit Tausenden Plastikbechern, Pizzaschachteln und Essensresten – kein Vergleich zum Beinahe-Aufstieg der Fortuna Ende Mai, als ebenfalls Tausende Fußballfans in die Altstadt strömten. Die Stadtreinigung wird am Abend einiges zu tun haben.

Inmitten der friedlich feiernden Fans trifft man die englische Viererkette aus Kyle Walker, John Stones, Luke Shaw und Tobey Maguire. Deren Trikots tragen Oscar, Jamie, Tim und Danny aus Leicester. Sie seien für die K.O.-Phase hergekommen, sagen die Mittzwanziger. Auch beim Achtelfinale im unter englischen Fans verschrienen Gelsenkirchen waren sie in der Stadt. „So schlimm, wie alle sagen, war es da gar nicht“, sagt Oscar. „Auch wenn die Stimmung in Düsseldorf viel besser ist. Es ist toll, wie alle friedlich zusammen feiern“, ergänzt Jamie.

Sie hätten sich um Tickets bemüht, aber keine bekommen. Das Spiel wollten sie später in der Fanzone sehen. Ihr Tipp: „2:0“, sagt Oscar. Sein Freund ist pessimistischer: „1:1 nach Verlängerung – dann geht es ins Elfmeterschießen.“ Aber England und Elfmeterschießen, da war ja was. 2021 kostete das Elfmeterschießen die Briten nämlich den EM-Titel.

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