Mutmaßliche Anschlagspläne

Elmshorner Terrorverdächtiger wusste von Ermittlungen

Aktualisiert am 13.11.2024 – 17:17 UhrLesedauer: 3 Min.

Ein junger mutmaßlich islamistischer Angreifer wurde festgenommen und womöglich Schlimmes verhindert. (Quelle: Marcus Brandt/dpa/dpa-bilder)

Ein 17-Jähriger aus Schleswig-Holstein steht unter Terrorverdacht: Er plante nach Erkenntnissen der Ermittler einen Anschlag im Dezember oder Januar. Mit wem hatte er Kontakt im Ausland?

Der in Elmshorn wegen mutmaßlicher Anschlagspläne festgenommene 17-Jährige soll trotz Kenntnis der gegen ihn laufenden Ermittlungen seine Pläne vorangetrieben haben. „Es gab einen ersten Kontakt. Der Beschuldigte wusste, dass die Ermittler ihn auf dem Radar haben“, sagte die Leitende Flensburger Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags mit Blick auf Medienberichte über einen Polizeieinsatz bereits im März.

Der Deutsche mit türkischen Wurzeln habe sich in den vergangenen Monaten stark radikalisiert, sagte Gropp. Im Oktober habe er sich mit einer bislang nicht bekannten Kontaktperson aus dem Ausland zur Planung eines terroristischen Anschlags verabredet. Ziel des Anschlags auf einen unbekannten, willkürlich ausgewählten Personenkreis sei es gewesen, „auf diesem Weg den Märtyrer-Tod zu sterben, also in das Paradies zu gelangen“.

„Die Planungen dazu haben durchaus konkrete Formen angenommen, waren aber noch nicht abgeschlossen“, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin. Der Beschuldigte habe zwei mögliche Tatzeiträume im Dezember und im Januar ins Auge gefasst. „In Bezug auf die Tatmodalitäten war der Beschuldigte nach den bisherigen Erkenntnissen noch nicht festgelegt.“ Es habe auch keine räumliche Konkretisierung gegeben.

Der 17-Jährige habe sich mit den Anschlägen der vergangenen Jahre im In- und Ausland beschäftigt, sagte Gropp. „Er hat sie sozusagen als Vorbild genommen, unter anderem auch den Anschlag in Nizza im Jahre 2016. Eine Tatbegehung mittels Lkw war danach dann eine Modalität, auf die der Beschuldigte aber keineswegs festgelegt war.“

Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, war der Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel auf der Flaniermeile Promenade des Anglais in Nizza kurz nach dem Feuerwerk mit einem tonnenschweren Lastwagen in eine Menschenmenge gerast. Er schoss auch auf Menschen. Letztlich gab es 86 Todesopfer und mehr als 200 Verletzte. Der Gewalttäter wurde nach der Tat erschossen.

Definitiv nicht festgelegt sei bisher aber das Anschlagsziel gewesen. Schlagzeilen, nach denen ein Weihnachtsmarkt das Ziel gewesen sei, würden die Ermittlungen nicht decken, sagte Gropp. Es hätte alle möglichen Ziele geben können, ein Fußballspiel, ein Konzert, ein Bahnhof. „Vorschnelle Schlussfolgerungen sollten wir alle vermeiden, weil das Sorgen schürt und die Ermittlungen beeinträchtigt“, sagte Gropp.

Anfang November hätten die Ermittlungsbehörden die nötigen Erkenntnisse für den Zugriff gesammelt. Der Zugriff sei erfolgt, bevor es eine greifbare Gefahr für die Bevölkerung bestanden habe. Die bisherigen Ermittlungen hätten aber gezeigt, dass eine hohe Gefahr bestand, dass die Pläne umgesetzt werden. Der Haftbefehl habe sich auf Paragraph 30 Absatz 2 des Strafgesetzbuches bezogen, die Verabredung zum Mord mit anderen. Das sehe eine Freiheitsstrafe von höchstens zehn Jahren vor.

Weitere Angaben zur Persönlichkeit und zum Werdegang des 17-Jährigen lehnte Gropp mit dem Hinweis darauf ab, dass es sich um einen Jugendlichen handele. Diese bedürften des besonderen Schutzes. Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) kündigte an, dass eine mögliche Hauptverhandlung vor einem Jugendgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden werde.

Seit März ermittelt die Flensburger Staatsanwaltschaft gegen den 17-Jährigen aus der Stadt nordwestlich von Hamburg. Medienberichten zufolge wurde Kommunikation abgehört, die deutschen Behörden bekamen einen Hinweis. „Wir sind gelegentlich abhängig von ausländischen Diensten“, räumte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bereits am Dienstag ein. Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt wollte sich im Ausschuss nicht zu Hinweisgebern äußern.

Dem Jugendlichen wird die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und die Verabredung zum Mord vorgeworfen. Laut Staatsanwaltschaft sieht das Gesetz für den Beschuldigten im Falle einer Verurteilung die Anwendung von Jugendstrafrecht vor.

Der Grünen-Innenpolitiker Jan Kürschner betonte, „es ist erschütternd, dass nach meinem Eindruck die Planer dschihadistischer Anschläge zunehmend Minderjährige als Zielobjekte in Visier nehmen, um diese in verabscheuungswürdiger Weise zu instrumentalisieren.“ Glücklicherweise sei ein Anschlag in diesem Fall noch weit weg gewesen. „Ich bin froh, wenn wir Hinweise befreundeter Nachrichtendienste erhalten.“

Der SPD-Abgeordnete Niclas Dürbrook regte an, dass die Staatsanwaltschaft erneut in den Ausschuss geladen wird, wenn es mehr Informationen zu dem Fall gibt.

Innenministerin Sütterlin-Waack (CDU) sagte nach der Ausschusssitzung, angesichts der abstrakten Gefahr müsse man besorgt sein. Auf den Weihnachtsmärkten werde die Polizei eine erhöhte Präsenz zeigen, damit die Menschen „sich sicher fühlen und ihren Punsch trinken können“.

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