Sollte ein Eisbär im Berliner Tierpark Ziel eines Angriffs werden? Erst war die Aufregung um ein Video groß, doch dann stellte sich heraus: Die Aktion diente einem ganz anderen Zweck.
Den Eisbären schmilzt das Eis unter den Pfoten weg – durch die Klimakrise verlieren sie ihren Lebensraum. Ein weiterer Feind: der Mensch. Jährlich sterben Hunderte Eisbären durch Jäger, berichtet die Organisation Pro Wildlife. Auf diese Bedrohung machte Journalist und Filmemacher Michel Abdollahi nun auf besonders drastische Weise aufmerksam.
In einem Telegramkanal postete er ein Video von sich vor dem Berliner Tierpark. „Ich werde der erste Typ sein, der in Europa einen Eisbären erschießt“, sagt er in die Kamera und hält Pfeil und Bogen hoch. Ziel des vermeintlichen Angriffs sollte die fünfjährige Eisbärendame Hertha werden. Der Berliner Tierpark sagte daraufhin am 27. Februar ohne Begründung den „Eisbären-Talk“ ab, sperrte das Gehege, die Polizei leitete Ermittlungen ein (lesen Sie hier mehr dazu).
Doch schon wenig später stellte sich heraus: Abdollahi steckt hinter der Aktion, die wohl nicht zufällig am „Welttag des Eisbären“ stattfand. Der Tierpark war seinen Angaben zufolge eingeweiht – und ein wirklicher Anschlag auf die Eisbären war nie geplant.
„Es gibt keine Aktion, die hart genug ist“
Abdollahi mahnt im Gespräch mit t-online: „Es gibt keine Aktion, die hart genug ist, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Es geht um unsere Existenz.“ Nichts habe mehr Sinn, wenn man den Klimawandel nicht bekämpfe. Der Journalist wurde mit dem Leid der Eisbären in Kanada konfrontiert. Dorthin reiste er für eine Dokumentation über „seltsame Orte“. Eine Eisbär-Fotosafari sollte Teil des Films werden. Doch vor Ort lernte Abdollahi viel über die Jagd auf Eisbären und wie die Klimakrise sie bedroht – und der Filmemacher änderte seine Pläne für die Doku.
Die Aktion vor dem Berliner Tierpark ist Teil von Abdollahis Vorhaben, auf die bedrohten Eisbären aufmerksam zu machen. „Die Jagd ist das, was Menschen triggert“, sagt er t-online. Auf die Jagd eines einzelnen Eisbären würden die Menschen sehr emotional reagieren. Weniger im Fokus ist dem Journalisten zufolge aber die Bedrohung der gesamten Art. „Hertha kennen die Leute aus dem Berliner Tierpark, aber was ist mit den Eisbären, die keinen Namen haben?“, fragt er.
„Hoffentlich nichts Schlimmes“
Auf Instagram war tatsächlich zu erkennen, wie sich Nutzer um die Berliner Eisbären sorgten. Unter dem Beitrag des abgesagten „Eisbären-Talks“ schrieb etwa einer: „Hoffentlich nichts Schlimmes“. Ein anderer fragte: „Ohje, was ist denn da passiert?“. Abdollahi ist es also gelungen, große Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
Pro Wildlife zufolge leben weltweit noch 26.000 Eisbären. Wissenschaftler gehen demnach davon aus, dass alleine die Erderwärmung den Eisbärbestand bis 2050 um mehr als 30 Prozent reduzieren wird. „Mit dem Rückgang des Meereises infolge des Klimawandels schrumpft auch die Lebensgrundlage der Polarbären: Sie können weniger Robben jagen – immer mehr Tiere verhungern, auch die Fortpflanzungsrate verringert sich. Die Erderwärmung wird damit zukünftig zur Hauptbedrohung für die Eisbären“, heißt es auf der Website der Organisation.
Auch der Schiffsverkehr bedrohe die Tiere – und eben die Jäger. Rund 800 Tiere sollen auf diesem Wege jährlich getötet werden, davon die meisten in Kanada, wo die Jagd auf die Tiere legal ist. Die Eisbären werden zur Trophäe, oder ihr Fell wird verkauft. „Trotz rückläufiger Bestände scheiterten zwei Versuche, Eisbären international streng zu schützen und den internationalen Handel mit Eisbären zu verbieten, vor allem am Widerstand Kanadas und der EU“, kritisiert Pro Wildlife.