Bundesverfassungsgericht
Ein Recht auf Ausschussvorsitz? AfD scheitert in Karlsruhe
Aktualisiert am 18.09.2024 – 14:11 UhrLesedauer: 4 Min.
Den Ausschussvorsitzenden im Bundestag kommt eine bedeutende Rolle zu. Die AfD hat derzeit kein solches Amt inne. Und das ist auch ok so, sagt das höchste deutsche Gericht.
Wichtige Entscheidungen werden im Bundestag oft in Ausschüssen vorbereitet, in denen Abgeordnete verschiedener Fraktionen zusammenarbeiten. Dabei spielen die Ausschussvorsitzenden eine zentrale Rolle. Die AfD wird derzeit von diesen Spitzenposten ausgeschlossen – und hatte deshalb das Bundesverfassungsgericht angerufen. Doch von den Karlsruher Richterinnen und Richtern bekommt sie am Mittwoch eine Abfuhr. Zwei Organklagen der AfD-Fraktion bleiben ohne Erfolg. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Urteil:
Bundestagsausschüsse werden in jeder Wahlperiode neu benannt und besetzt. In der Regel steht jedem Bundesministerium ein ständiger Ausschuss gegenüber, es können aber auch für einzelne Politikbereiche zusätzliche Ausschüsse hinzukommen. Jeder Ausschuss besteht aus einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter und einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern. „Die Ausschussvorsitzenden haben eine bedeutende Position“, heißt es auf der Internetseite des Bundestags. „Sie bereiten die Sitzungen vor, berufen sie ein und leiten sie.“
Nach der Geschäftsordnung des Bundestags bestimmen die Ausschüsse ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreter „nach den Vereinbarungen im Ältestenrat“. Faktisch gibt es ein unter den Fraktionen abgesprochenes Verfahren, das sich nach der Stärke der einzelnen Fraktionen richtet. Durch sie wird eine Reihenfolge festgelegt, nach der die Fraktionen Zugriff auf Ausschussvorsitze haben. Dabei dürfen die Fraktionen selbst entscheiden, in welchem der noch freien Ausschüsse sie den Vorsitzenden stellen wollen. An die AfD waren so der Innen- und der Gesundheitsausschuss sowie der Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gefallen.
Eine Wahl der Vorsitzenden durch den Ausschuss ist unüblich. Normalerweise wird die Personalentscheidung durch die anderen Fraktionen akzeptiert. Dies war zu Beginn der laufenden Wahlperiode aber in den Ausschüssen anders, in denen die AfD den Vorsitz stellen sollte. Hier verlangten die anderen Ausschussmitglieder eine Wahl, bei der sie dann den AfD-Kandidaten durchfallen ließen. Derzeit leiten die stellvertretenden Vorsitzenden die betreffenden Ausschüsse.
Die AfD-Fraktion hatte sich mit zwei Organstreitverfahren an das Verfassungsgericht gewendet, weil sie sich in ihren Rechten auf Gleichbehandlung als Fraktion, auf effektive Opposition und auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verletzt sah. Zum einen wehrte sie sich dabei gegen die Nichtwahl ihrer Kandidaten zum Vorsitz der drei entsprechenden Bundestagsausschüsse (Az. 2BvE 10/21).
Zum anderen ging sie gegen die Abwahl des damaligen Rechtsausschuss-Vorsitzenden Stephan Brandner im November 2019 vor (Az. 2 BvE 1/20). Nach mehreren Eklats hatten in der letzten Legislaturperiode alle Ausschussmitglieder mit Ausnahme der AfD-Abgeordneten für dessen Abberufung gestimmt – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestags.
Der Zweite Senat wies am Mittwoch beide Organklagen der AfD-Fraktion zurück. Sowohl die Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitze als auch die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses bewegten sich im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie, erklärte die Vorsitzende Richterin, Doris König.
Die Fraktionen seien zwar gleich und entsprechend ihrer Stärke zu behandeln, betonte König. So müsse etwa grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein. Dieser Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gelte aber nicht für Gremien und Funktionen lediglich organisatorischer Art. Ein solcher sei auch der Ausschussvorsitz.
Der AfD-Abgeordnete und einstiger Vorsitzende des Rechtsausschusses Brandner sprach nach dem Urteil von einem „schwarzen Tag für den Parlamentarismus“. Die Rechte der Opposition würden dadurch massiv geschwächt. Es sei nur um die Verhinderung der AfD gegangen. Doch für die jetzigen Mehrheitsparteien sei es ein „Pyrrhussieg“, betonte Brandner und ergänzte: „Mehrheiten können sich ändern.“
Und was sagen die anderen Fraktionen?
Die derzeitige Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), begrüßt vor allem die gerichtliche Klarstellung, dass die Rolle der Ausschussvorsitzenden sie zu einer maßvollen Amtswahrnehmung verpflichte. Der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), sagte der Rheinischen Post: „Die AfD sollte die selbstgewählte Opferrolle endlich ablegen. Karlsruhe hat klar festgestellt, dass ihre Rechte auf faire Verfahren gewahrt wurden.“