Deutsche Politiker tragen im Umgang mit Israel große Verantwortung. Gerade deswegen sollten sie ihre Worte mit Bedacht wählen. Merz hingegen klingt auf einmal wie Trump.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat in einem ZDF-Interview auf dem G7-Gipfel in Kanada Israels Krieg gegen den Iran als „Drecksarbeit“ bezeichnet. Er danke Israel dafür, dass es den Iran angegriffen hat: „Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee den Mut dazu gehabt hat“, sagte er.
Diese Wortwahl wird ihm auf die Füße fallen.
Denn Israel hat zwar das Recht, sich zu verteidigen, und lebt unter dem Damoklesschwert, dass der Iran bald seine Atomwaffen fertigstellen und einsetzen könnte. Zudem haben Deutschland und Merz aufgrund der Naziverbrechen eine besondere Verantwortung für Israel und das jüdische Volk und sind ihnen größte Solidarität schuldig.
Aber aus der historischen Verantwortung erwächst auch die Pflicht zur politischen und rhetorischen Vorsicht. Das iranische Regime ist zwar mitverantwortlich für zahlreiche Terrorakte, allen voran den Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 mit mehr als 1.200 Toten. Dennoch gilt auch für den Iran das Völkerrecht, also der Schutz vor Kriegen; und auch Präventivkriege sind nur erlaubt, wenn ein feindlicher Angriff unmittelbar bevorsteht. Dass der Iran bald Atomwaffen haben könnte, reicht als Kriegsgrund nicht aus. Die israelische Regierung hat also mit ihrem Angriff aller Wahrscheinlichkeit nach das Völkerrecht gebrochen.
Wenn Merz diesen Rechtsbruch als „Drecksarbeit“ bezeichnet, sagt er damit, dass er ihn zwar für unschön, aber in diesem Fall notwendig hält. Und er suggeriert, dass ein Krieg gegen den Iran eine Sache sei, die er beziehungsweise Deutschland und der Westen gerne erledigt haben möchten, aber nicht selbst anpacken wollen, weil sie die moralischen, politischen und materiellen Kosten scheuen.
Wer das Völkerrecht so verunglimpft, braucht sich nicht zu wundern, dass er etwa von vielen Ländern des Globalen Südens nicht mehr ernst genommen wird, wenn er das nächste Mal für den Erhalt der internationalen Ordnung plädiert, etwa in Bezug auf den Ukraine-Krieg. Natürlich hat letzterer bislang ein weit größeres Ausmaß als der Krieg zwischen dem Iran und Israel erreicht, und die Ukraine droht auch nicht damit, Russland mit Atomwaffen zu beschießen. Dennoch entsteht der Eindruck, dass Merz das Völkerrecht nur dann ernst nimmt, wenn es ihm zupasskommt.
Diese einseitige Auslegung bestätigt all jene Länder mit autokratischen Regierungen, die dem Westen schon lange vorwerfen, das Völkerrecht nach Gutdünken zu brechen – und in diesem Fall haben sie damit leider sogar wahrscheinlich recht. Schlimmer noch: Merz trägt mit solchen Äußerungen dazu bei, dass Diktatoren wie Putin ihrem Ziel einen Schritt näherkommen, die ans Völkerrecht gebundene internationale Ordnung zu untergraben und durch das Recht des Stärkeren zu ersetzen.
Obendrein ist Merz‘ Ausdrucksweise zynisch, denn in diesem Krieg sind bereits 24 Israelis und über 600 Iraner umgekommen. Wahrscheinlich werden es noch viel mehr, denn Israels Militär hat im Gazastreifen unter Beweis gestellt, dass es nicht besonders viel Wert auf den Schutz der Zivilbevölkerung legt. Wenn Merz dieses Leid nur als schmutzige Aufgabe verharmlost, die nun mal erledigt werden muss, ist er rhetorisch nur noch ein oder zwei Schritte von der Sprechweise eines Donald Trump entfernt, der auch mal ganze Länder als „Dreckslöcher“ herabwürdigt.