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Angst vor Hass im Internet: Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sagt, er habe in einem Interview mit dem ZDF nicht über die AfD sprechen sollen. Er warnt die Sender vor einer Schere im Kopf.

Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist ein Streit über den Umgang mit der AfD entbrannt. Die Talkshows der Sender stehen häufig in der Kritik, weil sie AfD-Politiker einladen. WDR-Intendantin Katrin Vernau sprach sich dafür aus, stärker Positionen der Partei im Programm abzubilden. Zuletzt sorgte zudem ein neues Sendeformat der ARD für Aufsehen, in dem sich die Redaktion auffällig unkritisch mit migrationsfeindlichen Haltungen gemein machte.

Nun beklagt der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, eine Journalistin des ZDF habe ihn dazu aufgefordert, keine historischen Parallelen des Nationalsozialismus zu Positionen der AfD zu ziehen. Andernfalls werde das Interview mit ihm womöglich nicht gesendet. Sie befürchte Drohungen in sozialen Medien. Im Interview mit t-online spricht Jens-Christian Wagner über vorauseilenden Gehorsam, Medien und ihren Umgang mit Rechtsextremen. Er warnt die Sender eindringlich – und auch die CDU.

t-online: Herr Wagner, Sie geben sicher oft Interviews zum Rechtsruck in Deutschland und Geschichtsrevisionismus, richtig?

Jens-Christian Wagner: Seit anderthalb Jahren hat das Interesse angesichts der politischen Lage in Thüringen massiv zugenommen. Ich habe das immer mit der Landtagswahl in Verbindung gebracht, bei der die AfD schließlich stark zugelegt hat.

Bislang waren Sie gewohnt, sich dabei frei äußern zu können, entsprechend Ihrer Expertise?

Ich habe mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie auch mit anderen Qualitätsmedien fast ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Das sind gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen, die nach hohen journalistischen Standards arbeiten. Es ist bislang nie passiert, dass jemand das Interview politisch lenken wollte.

Genau das ist Ihnen nun aber passiert? Sie sollten im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus nicht über die AfD sprechen?

Es ging in dem Interview mit dem ZDF um die Frage, wie Deutsche die Konzentrationslager und ihre Insassen wahrgenommen haben. Deswegen ging es um Kriminalisierungsdiskurse gegenüber den Ausgegrenzten, gegenüber den KZ-Häftlingen, die in der Propaganda der Nationalsozialisten als gefährliche Feinde und Verbrecher markiert wurden.

Dabei habe ich einen Aktualitätsbezug hergestellt: Solche Kriminalisierung erlebt man unter anderen Vorzeichen auch heute.

Foto aus der Talkshow „Maischberger“ in der ARD: Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor mit dem AfD-Abgeordneten Bernd Baumann. (Quelle: Eventpress Fuhr/imago)

Es liegt nahe, dass Sie dann auf die AfD zu sprechen kamen.

Ich habe über den migrationsfeindlichen Diskurs gesprochen, den es mittlerweile nicht mehr nur in der AfD gibt, den die Partei aber maßgeblich geprägt hat. Ich bin entsetzt, wie sich die politische Debatte im letzten halben Jahr entwickelt hat. Dass Migration nur noch als Gefahr für die öffentliche Sicherheit beschrieben wird, ist Hetze. Das hat dazu beigetragen, dass viele Menschen die AfD gewählt haben.

Die Journalistin sagte mir dann, ich solle das gern noch einmal sagen, aber ohne die AfD zu erwähnen. So etwas habe ich nie zuvor erlebt.

Hat sie Ihnen eine Begründung genannt?

Sie ging davon aus, dass die Redaktion die Stellungnahme mit AfD-Bezug nicht senden werde. Sie befürchtete außerdem rechtsextreme, antisemitische Kommentare in den sozialen Medien. Auf den Profilen des Senders und auch auf ihren eigenen Profilen.

Ist das eine schlüssige Begründung?

Viele Journalisten sind Hass im Internet ausgesetzt, bis hin zu Morddrohungen. Solche betreffen auch mich. Diese Befürchtung halte ich also für nachvollziehbar, die Schlussfolgerung aber für falsch. Wir sollten uns nicht einschüchtern lassen. Wir sollten klar benennen, dass die AfD rassistisch und geschichtsrevisionistisch agiert.

Und glauben Sie, diese Furcht vor dem Hass wird im ZDF geteilt?

Ich denke nicht, dass das die Haltung des Senders ist. Ich habe in Interviews mit dem ZDF bislang immer Ross und Reiter genannt. Es war vermutlich eine Art vorauseilender Gehorsam gegenüber einer angenommenen Haltung des Senders. Ausschlaggebend war womöglich die persönliche Angst vor dem Shitstorm.

Es gibt in Leitungsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender die Position, dass man der AfD Raum geben muss und auch Positionen, die die AfD vertritt, abgebildet sein müssen. Wie sehen Sie das?

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