Die Grünen-Spitze tritt überraschend ab – und macht damit alles richtig. Für die Ampel jedoch kann das zum Problem werden.

Zuallererst nur ein Wort: Respekt!

Respekt vor diesem Rücktritt, der überraschend kam und sich nach außen nirgends abzeichnete. Und: Respekt vor der Konsequenz, die die Grünen-Chefs Omid Nouripour und Ricarda Lang damit beweisen.

Die beiden – und mit ihnen der gesamte Parteivorstand der Grünen – zeigen mehr Rückgrat als die Führungsköpfe manch anderer Ampelparteien, die in ähnlich schweren Krisen stecken. Als erste und bislang einzige scheinen Nouripour und Lang verstanden zu haben, dass es so nicht weitergeht, dass auch sie persönlich ein Teil des Problems sind und machen deshalb den Weg frei für einen Neuanfang.

Ein richtiger Schritt. Denn genau diesen Neuanfang brauchen die Grünen dringend, wollen sie nach der nächsten Bundestagswahl noch eine relevante Rolle spielen.

Die Ökopartei, noch vor fünf Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, besonders unter jungen Menschen, die mehr Klimaschutz wollten, hat den Anschluss an den Zeitgeist verloren. In einer immer komplexeren Welt, in Zeiten stark gestiegener Preise und angesichts eines wachsenden Gefühls von Unsicherheit, sei es durch Kriege oder islamistischen Terror, sehnen sich viele Menschen in Deutschland nach Sicherheit und Stabilität.

Noch mehr Überforderung, etwa durch zu kurze Fristen für den Heizungstausch oder durch eine Politik der gefühlt unkontrollierten Migration, kann umgekehrt niemand gebrauchen. Schlimmer noch: Eine solche Politik macht vielen Menschen Angst.

So notwendig manche Idee wie das Heizungsgesetz im Sinne des Klimaschutzes ist – auch eine progressive Partei, wie es die Grünen sind, kann und darf sich einer geänderten Gefühlslage in der Bevölkerung nicht verschließen. Sie muss sich anpassen. Sonst geht sie in der Demokratie unter.

Ob den Grünen der nötige Kurswechsel gelingt, entscheiden nun diejenigen, die auf Nouripour und Lang folgen. Viel wichtiger aber noch, und zwar fürs ganze Land: Von den Nachfolgern hängt ebenso ab, wie beziehungsweise ob es mit der Ampel weitergeht.

Haushalt, Migration, Wirtschaftspolitik – die Regierungskoalition wackelt ohnehin schon an allen Ecken und Enden, vor allem, weil sich zuletzt SPD und FDP beharkten, während die Grünen sich an vielen Stellen diplomatisch heraushielten. Kämen bei den Grünen nun zwei Chefs ans Ruder, die sich und ihre Partei wieder stärker profilieren wollen, denen womöglich auch der Koalitionsvertrag weniger wichtig ist, weil sie selbst ihn nicht unterschrieben haben, kann es schneller knallen, als Robert Habeck „Klimaschutz“ und Christian Lindner „Schuldenbremse“ sagen können.

In diesem Fall wäre der Rücktritt von Lang und Nouripour vielleicht der Neuanfang für die Grünen. Aber zugleich der Anfang vom Ende der Ampel.

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