Am Mittwoch tritt das Vergewaltigungsopfer Gisèle Pelicot im Prozess gegen ihren Mann und 50 weiteren Tätern in den Zeugenstand. Die 71-Jährige spricht über die vorgelegten Beweise.

Dominique Pelicot ist ein Vergewaltiger, das hat er vor Gericht in Avignon (Frankreich) gestanden. Der 71-Jährige wird beschuldigt, seine Ehefrau, Gisèle Pelicot, jahrelang mit Medikamenten betäubt und sexuell missbraucht sowie Fremden zur Vergewaltigung angeboten zu haben. Am Mittwoch äußerte sich die ebenfalls 71-Jährige vor Gericht. Mit ihrem Auftritt wolle sie anderen Frauen Mut machen: „Ich will nicht, dass sie sich schämen. Es ist nicht an uns, sich zu schämen, sondern an ihnen“, sagte sie.

Auch wenn Pelicot anderen Mut macht: sie selbst sei „eine völlig zerstörte Frau“, erklärte sie am Mittwoch vor Gericht. „Ich weiß nicht, wie ich darüber je hinwegkommen soll“, fügte sie hinzu und bekräftigte, dass sie sich für einen öffentlichen Prozess eingesetzt habe. Damit wolle sie alle vergewaltigten Frauen bestärken. „Sie sollen sich sagen: Frau Pelicot hat es getan, wir können es auch.“ Zudem hoffe sie, dass der Prozess dazu beitrage, „die Gesellschaft zu ändern“.

Seit Beginn des Prozesses im September in Frankreich ist Pelicot zu einer Heldin für andere Frauen und Missbrauchsopfer geworden. Am vergangenen Wochenende waren im ganzen Land wieder zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen, um gegen sexualisierte Gewalt zu demonstrieren. „Die Scham muss die Seite wechseln“, skandierten manche von ihnen. Mit diesem Argument hatte Pelicot durchgesetzt, dass die Bilder von den Vergewaltigungen, die zwischen 2011 und 2020 immer wieder passiert sind, vor Gericht in Anwesenheit von Journalisten und Zuschauern gezeigt werden.

Vor Gericht sagte das Vergewaltigungsopfer, dass sie noch immer nicht verstehe, wie ihr mittlerweile geschiedener Mann dies tun konnte. Während ihres gemeinsamen Lebens, das 50 Jahre lang dauerte, sei sie eine „glückliche Frau“ gewesen. Ihr Mann habe sie auch nie geschlagen. „Als ich Dominique kennenlernte, war ich, obwohl ich meine Mutter sehr früh verloren hatte, immer von Liebe umgeben“, führte sie aus. „Dominique war das Gegenteil, er hatte einen tyrannischen Vater, der seinen Eltern sein ganzes Gehalt gab. Der Unterschied war, dass er eine Menge Wut hatte“, zitiert „The Guardian“ Gisèle Pelicot.

„Ich versuche zu verstehen, wie sich dieser Ehemann, der der perfekte Mann war, charakterlich so veränderte“, sagte sie. „Wie mein Leben so aus den Fugen geraten konnte. Wie du diese Menschen in unser Haus lassen konntest, obwohl du wusstest, wie sehr ich Partnertausch ablehne“, fügte sie hinzu. Dies sei für sie ein „unermesslicher Verrat“.

Viele der insgesamt 50 Mitangeklagten wiesen den Vorwurf der Vergewaltigung zurück. Manche argumentierten, sie hätten gedacht, es handele sich um ein gemeinsames Sex-Spiel des Ehepaares und die Frau stelle sich nur schlafend. Dominique Pelicot bekräftigte jedoch mehrfach vor Gericht: „Sie haben alle Bescheid gewusst.“

Aufgeflogen ist der Missbrauch, weil Dominique Pelicot 2020 in einem Supermarkt Frauen unter die Röcke gefilmt hatte. Er wurde festgenommen. Bei weiteren Ermittlungen wurden die Vergewaltigungsvideos entdeckt, die er von seiner Ehefrau gefilmt hatte.

In mindestens 92 Fällen waren fremde Männer beteiligt, Dominique Pelicot hatte sie in Internetforen kontaktiert. Allen Angeklagten in dem Prozess drohen Haftstrafen von bis zu 20 Jahren. Die Urteilsverkündung wird für Mitte Dezember erwartet.

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