Diese Meldung dürfte in England hohe Wellen schlagen: Ein Deutscher übernimmt das Nationalteam. Am Ende könnte es aber ein Segen für beide Seiten sein.
Sven-Göran Eriksson. Fabio Capello. Und nun Thomas Tuchel. Der übereinstimmenden Medienberichten zufolge dritte ausländische Trainer in der Historie der englischen Nationalmannschaft kommt aus Deutschland.
Ein schlaksiger Schwabe soll nun also das schaffen, was nicht nur seinen beiden Vorgängern aus Schweden und Italien misslang: Ein Titel mit den dramatisch titellosen „Three Lions“, die seit der WM 1966 auf einen weiteren Pokal für den Trophäenschrank warten. Es ist Tuchels erste Anstellung als Trainer einer Landesauswahl – und sie könnte sowohl für den Verband als vor allem auch für ihn selbst zum Glücksgriff werden. Mehr noch: Vielleicht hat Thomas Tuchel jetzt sogar seinen Traumjob gefunden.
Denn als „Team Manager“ Englands hat er niemanden neben sich, niemanden über sich, niemanden, der ihm ins Tagesgeschäft quatscht, niemanden, der mit ihm, der nicht gerade als konfliktscheu gilt, in Konflikt geraten könnte.
Rückblick: Bei Borussia Dortmund wurde ihm dem Vernehmen nach – neben Uneinigkeit über den Umgang mit dem Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus 2017 – auch seine mangelnde Bereitschaft zu Gesprächen mit dem notorisch gesprächsbereiten BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zum Verhängnis. Während seiner Zeit als Trainer von Paris Saint-Germain geriet der streitbare Tuchel immer wieder mit dem ebenso streitbaren damaligen Sportdirektor Leonardo aneinander, bis es beiden zuviel wurde und entnervt eine Vertragsauflösung vereinbart wurde.
Den FC Chelsea musste Tuchel im September 2022 auf Betreiben des neuen Eigentümers Todd Boehly verlassen, dessen teils groteske Ideen bei der Kaderzusammenstellung er nicht mittragen wollte. Der US-Amerikaner hat die einstmals stolzen „Blues“ mittlerweile erfolgreich zum internationalen Transfer-Drehkreuz verramscht. Beim FC Bayern prallte der Tuchel ein ums andere Mal mit seinen Transferwünschen an einer selbstzufriedenen Klubführung ab, musste sich dazu öffentlich von Vereinspatron Uli Hoeneß schmähen lassen.
Dabei reüssierte Tuchel auf sportlicher Ebene durchaus in jeder seiner Anstellungen. Dortmund verließ er als DFB-Pokalsieger, mit PSG holte er je zwei Meisterschaften und Pokalerfolge (mit dem drittbesten Punkteschnitt aller Trainer der Klubhistorie), Chelsea-Fans verehren den Deutschen noch heute für den Champions-League-Sieg 2021, der ihn zudem zum „Fifa Welttrainer des Jahres“ verhalf. Und dass sie in München nach der längst öffentlich verkündeten vorzeitigen Trennung doch noch mal an eine Fortsetzung der Zusammenarbeit dachten, spricht ebenfalls Bände.
Jetzt geht er dem Vernehmen nach die Aufgabe an, mit dem „England National Football Team“ ebenfalls Erfolge zu feiern. Es ist die größte Herausforderung seiner Karriere. Nun ist er gefragt, nun hat er, was er vielleicht immer wollte – auch, so zumindest ebenfalls überliefert, weil Thomas Tuchel absolute Expertise nur Thomas Tuchel zutraut. Alleinige Entscheidungsgewalt über Personalien und Nominierungen, keine Instanz, die ihm Erklärung oder gar Rechtfertigung abverlangt. Von Prinz William als Präsidenten des englischen Fußballverbands FA ist zumindest keine substanzielle Einmischung bekannt.
Bis auf die nicht zimperliche englische Presse. Die kennt er aber bereits – und ist aus seiner Zeit in München zusätzlich stahlgebadet durch den anhaltenden Umgang mit wadenbeißenden „Feldreportern“ der deutschen Medienlandschaft. Ausgerechnet hier könnte also tatsächlich alles passen für Thomas Tuchel.