Als Zeichen der Abscheu vor der Giftmörderin Gesche Gottfried spucken Menschen auf einen Stein am Bremer Dom – und das seit 200 Jahren.
Gesche Gottfrieds Leben endete mit 46 Jahren. Am Tag ihres Todes karren Gefängniswärter die abgemagerte Frau in einem Pferdewagen auf den Bremer Marktplatz. Vor den Augen von mehr als 35.000 Schaulustigen wird sie am 6. März 1828 enthauptet. Ihr Kopf fällt auf das Pflaster des Stadtkerns, der Richter zeigt ihn der johlenden Menge, dann wird ihr Leichnam in einen Sarg gepackt und abtransportiert. Bis heute erinnert der sogenannte Spuckstein an die letzte Hinrichtung in Bremen – und an die Massenmörderin Gesche Gottfried.
15 Menschenleben, so überliefert es die Geschichte, hat Gottfried auf dem Gewissen. Ermordet mit Gift. Sie löscht ein Leben nach dem anderen aus. Unter den Toten sind zwei ihrer Töchter und ein Sohn, auch ihr Vater und zwei Brüder sterben durch ihre Hand, außerdem ein dreijähriges Mädchen.
Bis heute gilt Gesche Gottfried, geboren am 6. März 1785, als eine der bekanntesten Bremerinnen überhaupt. Und bis heute wird über ihre Motive gerätselt. 15 Tote, dazu 19 schwer erkrankte Menschen, alle vergiftet mit Arsen, dem seit der Spätantike meist verwendeten Mittel, um Menschen zu ermorden.
Ihren ersten Mord begeht Gottfried im Jahr 1813. Das Opfer: ihr Ehemann Johann Miltenberg. Etwa ein Jahr zuvor schenkt ihr ihre Mutter Gesche Margarethe Timm ein Säckchen mit Arsen. Sie soll damit eigentlich die Ratten im Haus töten. Doch sie nutzt es, um Menschen umzubringen. Nur zwei Jahre später wird ihre Mutter das am eigenen Leib erfahren, auch sie vergiftet Gottfried.
Bis zum 5. Juni 1817 begeht die zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alte Frau sechs weitere Morde. Darunter sind ihre beiden Töchter Johanna und Adelheid, ihr Vater Johann, ihr Sohn Heinrich und einer ihrer Brüder, Johann Timm. Auch ihr zweiter Ehemann Michael Christoph Gottfried stirbt durch das Gift.
Viele Bremerinnen und Bremer sind erschüttert und stellen sich die quälende Frage: Geht ein Serienmörder durch die Stadt? Dass es Gottfried selbst ist, die einen nach dem anderen vergiftet, das mag keiner so recht glauben. Und gerade weil die junge Frau sich augenscheinlich so rührend um ihre Familie kümmert, erhält sie den Spitznamen „Engel von Bremen“. Dabei ist sie alles andere als engelhaft.
Sechs Jahre lange ist Pause. Die Angst weicht dem Alltag, die Erinnerungen an die Morde verblassen. Doch das Grauen kehrt am 1. Juni 1823 zurück. Paul Thomas Zimmermann, der Verlobte von Gesche Gottfried, stirbt. Dann folgen die Musiklehrerin Anna Lucia Meyerholz und Gottfrieds Nachbar Johann Mosees (beide 1825).
Arsen ist ein toxisches Halbmetall, das vor allem bei der Gewinnung von Kupfer und Blei als Nebenprodukt oder bei der Kohleverbrennung entsteht. Akute Vergiftungssymptome sind Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen, innere Blutungen, Durchfall und Kreislaufversagen. Seit der Spätantike wurde das Gift immer wieder als Mordwerkzeug benutzt. Weil es geruchs- und geschmacklos ist, ließ sich das Pulver gut unter Lebensmittel mischen. Zudem waren die Symptome einer Vergiftung kaum von denen der Cholera zu unterscheiden. Das Gift erhielt daher auch den Namen „Erbschaftspulver“ („poudre de succession“).
Bis 1827 geht das so weiter. Immer wieder sterben nahe Angehörige und Freunde der Frau, auch die dreijährige Tochter ihrer Magd wird zum Opfer. Ihr letzter Mord ist auf den 24. Juli datiert. Gottfried vergiftet ihren langjährigen Freund Friedrich Kleine in Hannover. Es ist der einzige Mord außerhalb Bremens – und markiert das Ende der schrecklichen Serie an unheimlichen Todesfällen.
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Zurückzuführen ist Gottfrieds Entdeckung wohl auf ihren Vermieter Johann Christoph Rumpff. Neben Gerüchten um Gottfrieds Täterschaft, die in Bremen die Runde machen, jedoch keinen Beweis für die Schuld der Giftmörderin liefern, ist es er, der nach einiger Zeit etwas Handfestes erbringt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Vermieter Rumpff entdeckt etwas Verdächtiges an einem Stück Schinken. Weiße Reste eines Pulvers kleben am Fleisch, der Mann wird misstrauisch und übergibt seinen Fund an den Mediziner Gottfried Wilhelm Luce. Der Arzt untersuchte zuvor bereits Verstorbene aus dem Umkreis von Gesche Gottfried. Damals bemerkte er jedoch nichts von den Giftmorden. Doch jetzt liegt der Beweis vor: Es ist Arsen, was am Schinken klebt. Die Giftmörderin ist überführt.