FDP-Chef Lindner bestimmt gut eine Stunde lang den Parteitag der Liberalen. Er fordert die Koalitionspartner zur Kurskorrektur auf. Aber er lässt keinen Zweifel, dass er den Erfolg der Ampel will.

FDP-Chef Christian Lindner hat die Ampel-Partner aufgefordert, einen wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands in den Mittelpunkt der Koalitionsarbeit zu stellen.

Beim Bundesparteitag in Berlin warnte er vor einem Abstieg des Landes und negativen Folgen für Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Wenn ein Land in zehn Jahren von Platz 6 der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 22 zurückfällt, was ist dann dringlicher als eine Wende?“, sagte er beim Bundesparteitag der FDP in Berlin vor den mehr als 600 Delegierten. „Denn in nächsten Jahren muss unser Ehrgeiz sein, von 22 wieder in die Weltspitze zurückzukehren.“

Setzt sich Lindner von den Ampel-Partnern ab?

Lindners Rede war mit Spannung erwartet worden, nachdem Vorschläge der FDP zur Wirtschaftsbelebung durch Steuerentlastungen und Verschärfungen bei Sozialleistungen vor allem die SPD verärgert hatten. Vor dem Bundesparteitag hatte das FDP-Präsidium dazu einen Zwölf-Punkte-Plan „zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“ verabschiedet. Dies befeuerte Spekulationen, ob die Ampel wegen teils völlig unterschiedlicher Positionen von SPD, Grünen und FDP durchhält.

Allerdings machte Lindner in seiner mehr als einstündigen Rede an mehreren Stellen deutlich, dass er einen Erfolg der Ampel-Koalition will, kein vorzeitiges Ende. Scharf griff er wiederholt die Union an. Seine Partei hatte bei der letzten Bundestagswahl 11,5 Prozent der Stimmen geholt und dümpelt nun in Umfragen nur noch bei 5 Prozent. Damit wäre aktuell nicht mal ein Wiedereinzug in den Bundestag sicher – auch dies kein guter Zeitpunkt, um die Reißleine zu ziehen und die Ampel platzen zu lassen. In der FDP-Parteispitze geht man zudem davon aus, dass wechselfreudige Wähler zur Union abgewandert sind, aber auch zurückgewonnen werden können.

FDP will Aufschwung zur zentralen Aufgabe machen

Dabei setzt die FDP nun voll auf Wirtschaftskompetenz, den Erhalt des Wohlstands sowie Chancen für Leistungsfreudige und Talente: „Wir haben tatsächlich die Köpfe. Wir haben das Know-how, wir haben das Kapital, aber unser Land steht sich zu oft selbst im Weg“, sagte Lindner. Und er beschrieb einen peinlichen Moment auf internationaler Bühne: Bei einem Treffen von Finanzministern und Notenbankchefs aus 190 Nationen in der vergangenen Woche sei eine Folie zu globaler Wachstumsschwäche mit einer Straßenszene der Berliner Friedrichstraße bebildert worden.

Der FDP-Vorsitzende machte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) für überbordenden Verwaltungsaufwand in Unternehmen verantwortlich. „Bürokratiestress hat einen Vornamen: Ursula.“

Kritik an der Grünen-Ministerin Paus

Erneut forderte Lindner die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. „Bevor wir uns von Karlsruhe aus Rechtsgründen dazu zwingen lassen, sofort und ohne Plan auf den Soli verzichten zu müssen, sollten wir lieber die klare politische Entscheidung treffen, planvoll Schritt für Schritt auf ihn zu verzichten“, sagte er.

Auch das Konzept der Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) nahm Lindner sich vor und kritisierte, dass dafür bis zu 5000 zusätzliche Stellen geschaffen werden müssten. Und nach einer Studie im Auftrag ihres Ministeriums würden bis zu 70.000 Menschen aus dem Berufsleben ausscheiden, weil sie keinen Arbeitsanreiz mehr hätten. Es spreche nichts gegen die Kindergrundsicherung, wenn die gemeinsam vereinbarten Bedingungen erfüllt würden, sagte er. Lindner sprach sich aber dafür aus, das Geld anders zu investieren: „Wäre es nicht besser, diese Milliarden einzusetzen in mehr und qualitätsvolle Kinderbetreuung, damit niemand gegen den eigenen Willen in Teilzeit verbleibt, weil man weiß, die Kinder sind gut untergebracht.“

Lindner will keinen weiteren Aufbau der Bundeswehr auf Pump

Der Ukraine sagte der Bundesfinanzminister weitere deutsche Hilfe bei ihrem Abwehrkampf gegen Russland zu. Dies liege auch im eigenen deutschen Interesse. „Wir unterstützen die Ukraine, weil sie unsere first line of defence (erste Verteidigungslinie) gegen Putin ist“, sagte Lindner. Kremlchef Wladimir Putin habe die Ukraine angegriffen – „er meint aber uns alle und unsere Lebensweise“.

Putin wolle nicht nur die Ukraine von der Landkarte entfernen, er wolle auch Europa und die Nato spalten und erreichen, dass sich die USA aus Europa zurückziehen, warnte Lindner. „Putins Ziel ist nicht die Ukraine. Putins Ziel ist es, Macht über uns ausüben zu können. Und das darf ihm niemals gelingen.“

Nötig sei, die eigene Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung zu verbessern. Das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr werde in einigen Jahren verbraucht sein, dann werde man die Streitkräfte aus den regulären Mitteln ertüchtigen müssen. Dies werde nicht mit immer neuen Schulden gehen. „Die Aufgabe, die vor uns steht, Frieden und Freiheit in Deutschland, Europa und der Welt zu verteidigen, diese Aufgabe ist nicht limitiert auf wenige Quartale oder Jahre. Potenziell ist es eine Aufgabe für Jahrzehnte und Generationen“, sagte Lindner. „Und deshalb kann das nicht auf Pump erfolgen. Wir brauchen dazu unsere Wirtschaftskraft.“

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