Iran, Gaza, Ukraine: Deutschland steht in der internationalen Krisenpolitik an der Seitenlinie. Das möchte die Bundesregierung perspektivisch ändern. Doch im Moment dreht sich alles um die Gunst einer Person.
Er war in den ersten 50 Tagen seiner Amtszeit oft in der Welt unterwegs und gilt bereits als „Außenkanzler“. Dennoch steht Friedrich Merz in diesen Tagen in Deutschland unter besonderer Beobachtung. Auch weil er und sein Außenminister Johann Wadephul (beide CDU) sich häufiger unterschiedlich in außenpolitischen Fragen äußerten. Das sei nicht die vor ihrem Amtsantritt versprochene Außenpolitik aus einem Guss – so der Vorwurf von einigen politischen Beobachtern.
Im Bundestag wollte Merz von dieser Kritik bei seiner Regierungserklärung am Dienstag nichts wissen. Er dankte seinem Außenminister demonstrativ und lobte die Arbeit der Bundesregierung. „Wir haben unseren internationalen Partnern gezeigt, sie können sich auf uns verlassen“, sagte der Kanzler. Deutschland sei wieder „zurück auf der europäischen und internationalen Bühne“. „Diese neue Entschlossenheit wird in der Welt registriert und von unseren Partnern und Freunden sehr begrüßt.“
Für ein außenpolitisches Zwischenzeugnis der Bundesregierung ist es noch zu früh. Doch schon jetzt ist klar: Merz wird hart um außenpolitische Erfolge kämpfen müssen, bisher sind diese noch nicht in Sicht. Russlands Krieg in der Ukraine verliert innerhalb der Nato an Priorität, und Kiew muss um die Unterstützung der USA fürchten. Während sich Israels Krieg gegen den Iran zwar abzukühlen scheint, ist die humanitäre Lage im Gazastreifen so schlimm wie nie. Deutschland hat bei diesen Konflikten aber nur wenige Handlungsoptionen. Zudem treibt US-Präsident Donald Trump die Bundesregierung politisch vor sich her.
Wadephul und Merz versuchten in den ersten Wochen ihrer Amtszeiten vor allem, die Beziehungen zu Washington auf einer konstruktiven Arbeitsebene zu halten. Es soll möglichst viel von der transatlantischen Zusammenarbeit über die Präsidentschaft von Trump hinaus gerettet werden. Das strategische Ziel der Bundesregierung: So viel Zusammenarbeit wie möglich, und bestenfalls keine Eskalation mit dem leicht aufbrausenden Mann im Weißen Haus.
Bislang ist dies zumindest teilweise gelungen. Die ersten Treffen zwischen Merz und Trump und zwischen Wadephul und seinem US-Amtskollegen Marco Rubio verliefen ohne größere Komplikationen. Besonders den Besuch des Kanzlers im Oval Office Anfang Juni werteten Beobachter als Erfolg, weil Merz und Trump offensichtlich gut miteinander reden konnten, der Dialog mündete nicht, wie bei manch anderem, in einen Schlagabtausch.
Doch fest steht auch: Die Ansprüche an die Funktionalität der transatlantischen Beziehungen sind gesunken. Vielmehr ist auch Deutschland in ein Rennen um die Gunst des Mannes im Weißen Haus eingestiegen, manche werfen dem Kanzler gar vor, er werfe sich so wie die übrigen großen Nationen des westlichen Bündnisses vor Trump in den Staub. Trump dagegen nutzt die US-Vormacht und die europäischen Abhängigkeiten von den Amerikanern, um König zu spielen. Bei internationalen Besuchen in Washington lässt er sich beschenken, reist er ins Ausland, wird er – wie beim Nato-Gipfel in Den Haag – in einem Schloss untergebracht und von Nato-Generalsekretär Mark Rutte umschmeichelt.
Es geht also um Schadensbegrenzung. Oberste Priorität ist, dass Trump bei Laune und in der Nato gehalten wird. Das ist aktuell für die Sicherheit in Europa entscheidend. Ob Deutschland mit dieser Strategie seine Ziele erreichen und gleichzeitig Würde bewahren kann, ist für die Bundesregierung dabei maßgeblich.