Ein Extremistennetzwerk wollte Heinrich XIII. Prinz Reuß offenbar zur Macht verhelfen. Der Adelige pflegt Kontakte ins „Reichsbürger“-Milieu und zur AfD.
Bislang hatte Heinrich XIII. Prinz Reuß nur als revisionistischer Verschwörungsideologe gegolten. Einer, der an eine jüdische Weltverschwörung glaubte und daran, dass Deutschland bis heute von den Alliierten besetzt sei. Nicht einmal seine Familie soll ihn ernst genommen haben.
Die groß angelegte Razzia mit 3.000 Polizeibeamten an diesem Mittwoch aber zeigt: Heinrich XIII. war offenbar weitaus gefährlicher. Die Einsatzkräfte sollen ein mutmaßliches Extremistennetzwerk ausgehoben haben, in dem der Adelige offenbar eine zentrale Rolle spielte. Der Prinz sollte gewaltsam zum Staatsoberhaupt gemacht werden, heißt es. Ein Staatsstreich sei geplant gewesen.
Wer den Machtanspruch des Prinzen verstehen will, muss tief ins Stammbuch seiner Adelsfamilie blicken: Der jetzt festgenommene Heinrich XIII. Prinz Reuß kam 1951 als fünftes von sechs Kindern im hessischen Büdingen zur Welt. Sein Vater Prinz Heinrich I., genannt Harry, entstammte einer Nebenlinie und wurde vom Erbprinzen adoptiert, dem Sohn des letzten Regenten Heinrich XXVII. Fürst Reuß (jüngere Linie). Der wiederum hatte Anfang des 20. Jahrhunderts sein Fürstentum und das benachbarte Fürstentum Reuß (ältere Linie) regiert, die mit ihren Hauptstädten Gera und Greiz im Osten des heutigen Thüringens liegen.
Die Kleinst-Fürstentümer schickten keine Vertreter in den Bundesrat des Kaiserreichs, an dessen Spitze der Kaiser stand, sondern übertrugen die Vertretung aufs Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Als zur Novemberrevolution die Republik ausgerufen wurde und Kaiser Wilhelm II. abdanken musste, war am 11. November 1918 auch die Regentschaft der Reuß-Heinriche beendet.
Aus Sicht vieler „Reichsbürger“ war die Entmachtung aber rechtswidrig. Sie erheben daher bis heute Ansprüche auf die Herrschaft. Und Heinrich XIII. Prinz Reuß soll den Ermittlungen zufolge einem geheimen „Rat“ vorgestanden haben, der die Machtübernahme plante und koordinierte.
In diesem Rat sollen Zuständigkeiten unter den Mitgliedern verteilt worden sein, zum Beispiel an eine AfD-Politikerin, die vergleichbar mit Aufgaben von Ministerien waren. An den „Rat“ angegliedert war demnach auch ein sogenannter „militärischer Arm“. Er habe den Erkenntnissen zufolge sogar eine Geiselnahme im Bundestag durchführen sollen.
Legitimiert fühlte man sich laut Ermittlern offenbar aufgrund eines tief in der Gruppe verwurzelten Verschwörungsglaubens. Demnach regiere der „Deep State“ (deutsch: „tiefer Staat“) in Deutschland, also eine Art Geheimbund der Eliten. Im Kampf dagegen habe die Gruppe um Heinrich XIII. allerdings Verbündete in einer „Allianz“ gefunden, einem anderen Geheimbund aus Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten.
Ein Kontakt des Prinzen zu russischen Diplomaten in Deutschland zog offenbar besondere Aufmerksamkeit der Behörden auf sich. Der Prinz, der bereits mit der Ehelichung einer bürgerlichen Iranerin gegen die standesbewussten Regeln des Hochadels verstoßen hatte, war inzwischen mit einer gebürtigen Russin liiert. Seine neue Liebe hatte ihm offenbar Zugang zum russischen Generalkonsulat in Leipzig verschafft. Die Gruppe soll geglaubt haben, zentraler Ansprechpartner für Verhandlungen über die anstehende neue Ordnung in Deutschland sei der Kreml. Dass er dort tatsächlich Gehör fand, dafür gebe es allerdings keine Anzeichen, teilte der Generalbundesanwalt mit.
Dass der Prinz, der nun als ein mutmaßlicher Rädelsführer der terroristischen Vereinigung gilt, seit Jahren Verschwörungsmythen anhing, war weithin bekannt. Das Haus Reuß teilte dem MDR vor wenigen Monaten mit, bei Heinrich XIII. Prinz Reuß handle es sich um einen „entfernten“ Verwandten, einen „teilweise verwirrten“ alten Mann, der „verschwörungstheoretischen Irrmeinungen“ aufsitze. Er habe vor Jahren den Familienverbund verlassen, und es bestehe kein persönlicher Kontakt mehr.
Heinrich XIII. Prinz Reuß hat aber auch noch eine andere Seite: In der Metropole Frankfurt lebte er zurückgezogen und unauffällig als Immobilienmakler. Nachbarn seines Wohnhauses und seines Büros haben nichts Schlechtes zu berichten (Mehr dazu lesen Sie hier).
Anlass zu der Distanzierung der Familie gaben Auftritte in Thüringen. In Bad Lobenstein etwa war Heinrich XIII. mit dem parteilosen Bürgermeister Thomas Weigelt und dem AfD-Landtagsabgeordneten Uwe Thrum zusammengetroffen. Als ein Journalist der Ostthüringer Zeitung das Treffen dokumentieren wollte, attackierte der Weigelt den Reporter beim Filmen. Der Bürgermeister ist inzwischen von der Kommunalaufsicht wegen mehrerer Vorfälle aus dem Amt entfernt worden, auch er ist mit Reichsbürgerthesen aufgefallen.