Bitte sagen Sie nicht Herr Gottschalk. Thomas reicht.


Thomas Gottschalk


In den anderthalb Stunden, die der Abend dauert, liest Gottschalk maximal 30 Minuten aus seinem Buch vor. Der Rest seiner Show besteht aus spontaner Plauderei, abschweifenden Gedanken und einer sich hinziehenden Frage-Antwort-Runde. Letztere offenbart, dass sich Menschen versammelt haben, die den ehemaligen Showmaster als Helden ihrer Kindheit und Jugend verehren. Und genau das nutzt Gottschalk in eigener Sache: Er gibt sich als Mann des Volkes. Nahbar, unprätentiös, stinknormal.

„Bitte sagen Sie nicht Herr Gottschalk. Thomas reicht“, ruft er einem sichtlich verblüfften Gast zu. Die joviale Geste eines Mannes, der in einem Nadelstreifenanzug von Giorgio Armani auf der Bühne steht, an sich herunterblickt und angesichts seines Outfits urteilt: „Für Berlin genau richtig.“

Den Gästen scheint dieser sichtbare Widerspruch gleichgültig. Sie hängen Gottschalk an den Lippen, als sei er ein Prediger, einer, der das sagt, was sich sonst niemand mehr traut. Und auch dieser inhaltliche Widerspruch löst keine Irritationen aus: Gottschalk betont einerseits immer wieder, dass er nicht mehr alles sagen dürfe, erklärt aber auch, dass er niemand sei, der behaupte, man dürfe nicht mehr alles sagen.

Thomas Gottschalk genießt das Heimspiel, Kritik muss er an diesem Abend nicht fürchten. Er darf wie ein etwas betagter Onkel, der nach jahrelanger Weltreise zurückgekehrt ist, mit großer Geste über dies und das philosophieren, Weltgewandtheit simulieren und den Erklärbär mimen. Dabei gelingt es ihm, sein Publikum komplett in den Bann zu ziehen. Schon der Start zeigt, wer Herr im Hause ist. Nach einer kurzen Anmoderation durch die Theaterleitung schlüpft Gottschalk hinter dem Vorhang auf die Bühne, lässt sich bejubeln und badet anschließend minutenlang im Blitzlichtgewitter der eingeladenen Fotografen.

„Habt ihr jetzt genug?“, fragt er die immerzu auf den Auslöser drückende Schar vor sich. Etwas beiläufig, dann schon genervt. Er will seine Show beginnen. Diese lästigen Fotos von ihm und seinem Buch stehlen ihm wertvolle Minuten, die er sonst seinem Publikum widmen könnte – so der Eindruck, den Gottschalk vermittelt.

Es sind diese Momente, die ihn in den Augen seiner Fans so genial, so sympathisch, aber zugleich staatsmännisch erscheinen lassen. Es geht hier um uns, denken die Menschen und schauen zu ihm hinauf. Zu dem Mann, der keinen Hehl aus seiner Eitelkeit macht. Der zugibt, süchtig nach Applaus zu sein, das Bad in der Menge zu genießen. „Persönlich“ ist diese Show, weil sie zeigt: Thomas Gottschalk ist sich selbst am nächsten. „Es geht mir immer um mich“, sagt er und meint das auch so.

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