Die Bezahlkarte für Asylbewerber soll bald kommen. Die Politik feiert einen „Meilenstein“ – Experten aber sind skeptisch.
Siegfried Lorek klingt erleichtert: „Der Beschluss war überfällig“, sagt er t-online am Mittwoch am Telefon. Der CDU-Politiker, Justiz- und Migrationsstaatssekretär in Baden-Württemberg unter Winfried Kretschmann (Grüne), meint die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber. Lorek dringt darauf in seinem Bundesland seit Monaten. Seine Hoffnung: Die Bezahlkarte soll Pullfaktoren nach Deutschland eindämmen.
Es ist insgesamt die Hoffnung in der Politik, nicht nur bei Lorek: Die Bezahlkarte soll helfen, die illegale Migration nach Deutschland zu reduzieren. Hier eine Erleichterung zu schaffen, ist seit Monaten Priorität Nummer 1 in Bund wie Ländern.
Aber kann die Bezahlkarte da wirklich helfen? Während die Politik den Schritt am Mittwoch feiert, sind Experten skeptisch. Sie halten den Effekt für gering – und befürchten teils sogar, dass die Bezahlkarte die Lage verschlimmern könnte.
Weniger Bargeld, mehr Kontrolle
Weniger Bargeld, mehr Kontrolle: Das ist grob zusammengefasst das Konzept der Bezahlkarte. Am Mittwoch einigten sich die Ministerpräsidenten auf Standards für die Karte, ein gemeinsames Vergabeverfahren soll bald eröffnet werden. Einen Teil der ihnen zustehenden Leistungen erhalten Flüchtlinge so in Zukunft auf der Karte, mit der man ähnlich wie mit einer EC-Karte in Geschäften zahlen kann.
Überweisungen ins Ausland sollen von der Bezahlkarte nach den Plänen der Ministerpräsidenten laut „Bild“ nicht möglich sein – ebenso wie Zahlungen im Ausland. Sozialleistungen können also mit der Karte nicht direkt an Verwandte im Herkunftsland geschickt werden. Bargeld soll demnach nur in geringen Beträgen abgehoben werden können, je nach Bundesland soll es festgelegte Mindest- und Maximalspannen geben. Und: Bei Missbrauch soll die Karte gesperrt werden können.
Lindner feiert „Meilenstein“
In der Politik herrscht am Mittwoch vor allem eine Meinung vor: Ja, die Bezahlkarte reduziert Anreize, nach Deutschland zu kommen – und ist damit ein hilfreicher Schritt im Kampf gegen die illegale Migration.
CDU-Staatssekretär Lorek betont: „Vor allem zwei der beschlossenen Einschränkungen sind richtig und wichtig: Es darf keine Überweisungen mehr ins Ausland geben und Bargeldabhebungen werden auf bestimmte Beträge reduziert.“
Von einem „ganz wichtigen Schritt“, spricht auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Der Verwaltungsaufwand bei den Kommunen werde gesenkt, Geld aus staatlicher Unterstützung könne nicht mehr überwiesen werden – so werde auch die Schlepperkriminalität bekämpft.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD betont: „Die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bereitgestellten finanziellen Mittel sollen den Lebensunterhalt in Deutschland sichern, sie dienen – bei allem Verständnis – nicht der Finanzierung der Familien im Heimatland.“
Sogar von einem „Meilenstein“ mit Blick auf die Bekämpfung der irregulären Migration spricht Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Skepsis bei Experten ist groß
Aber belastbare Studien und Erhebungen zu dem Thema fehlen. Wie sehr Bargeld ein ausschlaggebender Faktor für Flüchtlinge ist, um nach Deutschland zu kommen, ist unklar – ebenso wie die Rolle von Geldtransfers in die Heimat.
Experten sind deswegen zurückhaltend in der Bewertung, bleiben aber skeptisch mit Blick auf die von der Politik erhoffte große Wirkung der Bezahlkarte. „Der Abschreckungseffekt dürfte gering sein“, sagt Migrationsexperte Hannes Schammann t-online.
An den Rücküberweisungen in die Heimat zum Beispiel dürfte die Karte wenig ändern, glaubt Schammann. „Man könnte weiterhin alles Mögliche kaufen mit der Bezahlkarte, dann wieder verkaufen und das Geld verschicken per Western Union.“ Für Menschen, die noch nicht in Deutschland seien, dürften außerdem andere Faktoren entscheidender sein als Bargeld – zum Beispiel „die Aussicht auf einen guten Job in einem wirtschaftlich starken Land“, so Schammann.
Migrationsforscher Jasper Tjaden sieht die Unterbindung von Geldüberweisungen ins Ausland außerdem als mögliches zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite könne das verhindern, dass Gelder an Schlepper flössen. Das passiere zumindest in Einzelfällen. „Aber das Geld unterstützt in vielen Fällen notleidende Familien im Heimatland“, sagte er t-online. „Wenn die Familie weniger Geld erhält, könnte das auch dazu führen, dass der Druck auszuwandern steigt.“