Die CDU diskutiert auf dem Parteitag in Berlin ihr neues Grundsatzprogramm. Friedrich Merz spricht von einem klaren Signal. Und die Partei? Will Frieden.

Auf dem Bundesparteitag der CDU tritt am Dienstagmorgen eine junge Frau an das Mikrofon. Ihre Stimme zittert beim Sprechen, man merkt, dass ihr das Thema wichtig ist. Es geht um Gleichstellung. Die Delegierte aus Hessen ist dagegen. Das habe rein gar nichts mit Gleichberechtigung zu tun, unterstreicht sie. Im Gegenteil: Das sei doch Identitätspolitik.

Die Rednerin nach ihr stimmt zu: „Von Gleichstellung zu reden in einem Programm, das von Freiheit geprägt ist, ist ein massiver Schönheitsfehler“, kritisiert sie. Genau das unterscheide die CDU doch von „linken Gleicheitsfantasien“.

Anschließend kommt Julia Klöckner auf die Bühne. Die CDU-Politikerin kennt die Debatte. Sie hat sie schon häufig geführt. „Soll unsere Botschaft heute wirklich sein, dass Gleichstellung ein Schönheitsfehler ist? Liebe Leute, ich glaube, wir haben gar nichts gelernt.“ Der Saal applaudiert.

Den Antrag lehnen die Delegierten mit großer Mehrheit ab. Offensichtlich hat nicht nur Klöckner genug von der Debatte.

Leidenschaftliche Programmpartei – jetzt doch?

An diesem Dienstag will die CDU auf dem Parteitag ihr neues Grundsatzprogramm diskutieren und anschließend verabschieden. Generalsekretär Carsten Linnemann spricht von einem „historischen Moment“. Immerhin ist es erst das vierte in der Geschichte der Partei. Das erste seit 2007.

Auch Friedrich Merz sagt vor der Debatte noch einmal, Mitglieder könnten nun wieder sagen: „Jetzt erkenne ich die CDU wieder. Jetzt weiß ich wieder, warum ich in dieser Partei bin.“ Und es gehe hier nicht nur um Selbstvergewisserung. Das Programm soll auch jene erreichen, „die bei Wahlen neu entscheiden, wen sie wählen. Die Wechselwähler“, so Merz. Es richte sich nicht nur nach innen. Sondern sei auch ein Signal nach außen.

Die Botschaft dahinter ist klar. Linnemann und Merz wollen zeigen, dass die Partei auch Inhalte kann. Und immerhin: Fast 2.300 Änderungsanträge wurden im Vorfeld von antragsberechtigten Gliederungen eingereicht. Wird die CDU jetzt also doch noch zur leidenschaftlichen Programmpartei?

Wehrpflicht und Leitkultur – Diskussionen gibt es kaum

Naja. So richtig kommt an diesem Dienstag keine leidenschaftliche Debatte im Saal auf. Antrag für Antrag geht die Grundsatzprogrammkommission die Themen mit den Delegierten durch. Migration, Wehrpflicht, Soziales. Hier und da gibt es ein sogar ein paar Wortmeldungen. Kleinere Änderungen, so richtig strittig scheint keines der Themen zu sein. Im Gegenteil, fast alle Debatten gehen zügig über den Tisch. Der Zeitplan wird eingehalten. Die Kontroverse bleibt aus.

Als die Junge Union gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Daniel Günther und dem niedersächsischen Landesvorsitzenden Sebastian Lechner einen Initiativantrag zum Thema Wehrpflicht einbringt, wird der ohne lange Diskussion im Programm aufgenommen. Ein Erfolg für den Vorsitzenden Johannes Winkel. Ganz ohne Not.

Selbst die Leitkultur, von der im Vorfeld erwartet wurde, sie könne für Zündstoff sorgen, geht ohne Murren durch. Nicht eine Wortmeldung. Weitermachen.

Manchmal gibt es auf Parteitagen ein Ventil für Frust in der Partei. Ein Thema, an dem sich die Delegierten festbeißen, das für Furore sorgt, aber eigentlich für etwas anderes steht. Es ist dann gewissermaßen ein Abarbeiten am Parteiestablishment. Doch dieses Mal scheint das auszubleiben.

Nur hin und wieder sind sich die Delegierten in einem Punkt uneinig. Wenn es um die Frage geht: Wie konservativ will man eigentlich sein? Beim Thema Gleichstellung. Oder Islam. Von Streit kann dennoch keine Rede sein. „Die CDU will gerade versöhnt sein“, sagt eine Delegierte im Saal mit Blick auf die Debatten.

Die CDU gibt sich friedfertig. Auch jene, die im Vorfeld Kritik geäußert haben, halten sich beim Parteitag bedeckt. Und warum auch? Am Ende ist das Ganze kein Wahlprogramm. Auch, wenn Merz von einem Signal an potenzielle Wählerinnen und Wähler spricht. Und wer an das Grundsatzprogramm von 2007 zurückdenkt, der wird wissen, dass es auf die Regierungsarbeit nur bedingt Einfluss haben muss.

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