Mit 75 Jahren, da fängt die Rente an. So oder so ähnlich dachte sich Mary Roos ein Kapitel für ihr neues Lebensjahr aus. Dabei ist der Betrag kaum der Rede wert.
Ihr fehlt der ganz große Hit, den jeder mitsingen kann – aber dennoch zählt Mary Roos bis heute zu den bekanntesten Frauen im deutschen Schlagergeschäft. Das Geheimnis dieses Erfolgs? Vielleicht ist es ein Mix aus Humor und der Widerstandskraft, die sie in ihrem Lieblingslied „Aufrecht geh’n“ besingt: Denn Roos steht für viele private Dramen, wurde von ihren Ehemännern betrogen und schaffte am Ende doch, zu verzeihen.
An diesem Dienstag wird die 1949 als Marianne Rosemarie Schwab im rheinland-pfälzischen Bingen geborene Roos 75 Jahre alt. Ihre musikalische Karriere beendete sie schon vor einigen Jahren, was allerdings kaum auffiel. Denn die Sängerin ist in Talkshows präsent und tourt nach ihrer jahrelang vor ausverkauften Häusern gespielten Erfolgsrevue „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“ weiter mit dem Programm „Mehr Nutten, mehr Koks – scheiß auf die Erdbeeren“, auch noch in diesem Jahr, mit 75 Jahren.
Der ESC als Starthilfe für die große Karriere
In der Show wird sie als die „Helene Fischer der Bronzezeit“ verulkt, ein Scherz mit feinem Gespür. Denn so wie die mit ihrem Hit „Atemlos“ erfolgreich gewordene Helene Fischer neben dem Gesang vor allem auch mit ihrer Bühnenpräsenz ihre Fangemeinde gewann, ist Roos eben nicht nur Sängerin, sondern Performerin.
Der Durchbruch gelingt ihr allerdings erst 1970, nachdem sie den Franzosen Pierre Scardin heiratete, der auch ihr Manager wird. Scardin schickt Roos 1970 in den Vorentscheid zum Eurovision Song Contest, wo sie sich zwar nicht durchsetzen kann, aber wahrgenommen wird. Einige Wochen später produziert Giorgio Moroder mit ihr „Arizona Man“, das 1970 zu einem der erfolgreichsten Schlager des Jahres in Deutschland wird und Roos‘ bis heute einziger Top-Ten-Hit.
Ab jetzt gehört Roos zur ersten Liga der Schlagerstars. CBS nimmt sie unter Vertrag. 1971 bekommt sie mit „Marys Music“ eine eigene Fernsehshow, was ihre Popularität weiter beflügelt. 1972 schafft sie es zum ESC und holt mit „Nur die Liebe lässt uns leben“ den dritten Platz. Es ist die bis dahin beste deutsche Platzierung bei dem Wettbewerb. Die Kritiker sind sich einig, dass das dünne Liedchen durch die enorme Bühnenpräsenz der Sängerin zu diesem Erfolg wurde.
Roos öffnet dies auch die Tür zu internationalen Erfolgen. Kurz nach dem ESC-Finale ist sie für das legendäre Pariser Olympia gebucht, wo sie drei Wochen vor ausverkauftem Haus spielt. Sie veröffentlicht auch ein französisches Album. 1976 kommt sie als erste Deutsche in die „Muppet Show“, und 1978 entsteht die Personalityshow „Maryland“, die in 25 Länder verkauft wird.
Zu dieser Zeit erlebt sie ihr erstes privates Drama. Ihr Mann betrog sie, die Ehe scheitert. Heute würde sie für einen Seitensprung nicht mehr sofort eine Beziehung beenden, sagt Roos mittlerweile. Scardin zählt bis heute zu ihren Freunden.
Wie eine Affäre Mary Roos vor dem ESC verunsicherte
Über die verrückte und wilde zweite Ehe mit dem als Gottlieb Wendehals bekannt gewordenen und mittlerweile verstorbenen Sänger Werner Böhm kann Roos inzwischen lachen. Das war allerdings nicht immer so: 1984 tritt Roos ein weiteres Mal beim ESC an. Doch kurz vor dem Finale erhält sie von Böhms Geliebter einen Anruf, dass sie schwanger sei. Der Auftritt misslingt, Roos erreicht nur Platz 13.
Das Lied „Aufrecht geh’n“ ist dennoch Roos‘ liebstes Lied. Der Text über die Hauptperson, die trotz einer gescheiterten Beziehung aufrecht bleibt, scheint nach dem damaligen ESC-Drama perfekt auf sie zu passen. Roos macht einfach weiter mit ihrer Karriere – auch ohne den ganz großen Ohrwurm ist sie in unzähligen Shows gern gesehener Gast.