Joana Osman ist eine deutsch-palästinensische Schriftstellerin und Friedensaktivistin. Ihre Familie väterlicherseits stammt aus Jaffa, einst eine Hafenstadt im britischen Mandatsgebiet Palästina und heute das arabische Viertel der israelischen Stadt Tel Aviv-Jaffa. In ihren Romanen beschreibt Osman ihre bewegte Familiengeschichte, während sie sich in ihrer Friedensarbeit in der Peace Factory für die Verständigung zwischen Palästinensern und Israelis einsetzt.

Frau Osman, in Ihren Büchern geht es unter anderem um die jüngste Geschichte des Nahen Ostens, die auch Teil Ihrer persönlichen Lebensgeschichte ist. Worum geht es in Ihren Romanen genau?

In meinem Debütroman „Am Boden des Himmels“ geht es um einen jungen arabisch-israelischen Journalisten, der sich auf die Suche nach einer urbanen Legende macht. Demnach wurde in Israel ein Engel gesichtet, der die Fähigkeit besitzt, jeden, dem er begegnet, plötzlich zum Frieden zu bewegen. Der Engel hilft Menschen, den Konflikt aus der Perspektive der anderen Seite zu betrachten. Das führt dann dazu, dass alles Mögliche passiert. Dabei greife ich auf vieles zurück, was ich selbst auf Reisen im Nahen Osten und im Rahmen meiner Friedensarbeit erlebt habe, darunter auch Gespräche mit Israelis und Palästinensern.

Mein aktueller Roman „Wo die Geister tanzen“ ist eine fiktionalisierte Version der Geschichte meiner eigenen palästinensischen Familie. Mein Vater und mein Onkel schenkten mir Tagebücher, in denen sie ihre Kindheit schildern: auf der Flucht, in der Diaspora und in bitterster Armut. Dadurch habe ich viel über meine Familiengeschichte gelernt. Ich habe alles fiktionalisiert, was ich nicht wusste oder nicht herausfinden konnte. Das Buch handelt auch von mir selbst und meiner Suche nach meiner Familiengeschichte, von den Begegnungen, die ich mit meiner Familie im Nahen Osten, mit meinen israelischen Freunden und meiner palästinensischen Familie hatte.

Warum glauben Sie, dass Literatur eine gute Möglichkeit ist, den Konflikt anzugehen?

Alle Geschichten arbeiten mit Emotionen, sonst wären sie keine Geschichten. Und gutes Geschichtenerzählen – gute Literatur – ist in der Lage, Emotionen zu wecken und sich auf das einzulassen, was der Leser selbst empfindet. Ich glaube, wenn der einzige Input, den wir haben, politische Informationen oder Nachrichten sind, fehlt uns diese emotionale Verbindung. Persönliche Geschichten ermöglichen es den Menschen, sich auf einer ganz anderen, emotionaleren Ebene zu engagieren, ebenso wie fiktive Erzählungen.

Sie sind Friedensaktivistin: Sie halten Vorträge, leiten Workshops an Schulen und arbeiten in der Peace Factory. Was genau wollen Sie erreichen?

Ziel ist es, Menschen aus Konfliktregionen, insbesondere aus Israel und Palästina, zum Dialog miteinander zu bewegen. Gerade dieser Konflikt bringt eine starke „Entmenschlichung“ der Gegenseite mit sich. Wir versuchen, die Menschen wieder zu „rehumanisieren“, indem wir beispielsweise ihre persönlichen Geschichten veröffentlichen und sie dazu bringen, miteinander zu reden.

Welches Feedback bekommen Sie?

Das Feedback ist durchweg positiv. Aus diesen Workshops sind Freundschaften zwischen Israelis und Palästinensern entstanden, die bis heute andauern. Ich stehe immer noch in Kontakt mit Menschen, die enge Freundeskreise gebildet haben. In meiner Blase kenne ich nur Israelis und Palästinenser, die sich mögen. Auch im aktuellen Konflikt versuchen sie, aufeinander zuzugehen.

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