Nach Festnahme in Paris
Das ist über den Telegram-Chef bekannt
26.08.2024 – 13:20 UhrLesedauer: 3 Min.
Frankreich hat den Telegram-Gründer Pawel Durow festgenommen. Wer ist der Mann? Wie reagiert Russland? Und was passiert jetzt mit dem Messenger?
Der Gründer des umstrittenen Dienstes Telegram, Pawel Durow, wurde am Wochenende in Frankreich festgenommen. Ihm wird schon länger vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen Hassrede und andere illegale Aktivitäten auf seiner Plattform vorzugehen.
Laut ersten Berichten soll sich der Telegram-Gründer durch fehlendes Eingreifen bei Telegram und mangelnder Kooperation mit französischen Behörden des Drogenhandels, Betrugs und mehrerer Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht haben.
Wegen fehlender Löschpraxis ist Telegram bei „Querdenkern“, Islamisten und Rechtsradikalen beliebt. In offen einsehbaren Kanälen verbreiten Nutzer ihre Hassbotschaften.
Aber nicht nur. In den vergangenen Jahren wurde der Messenger zu einem der wichtigsten Kommunikationskanäle im Ukraine-Krieg. Viele Menschen in Russland nutzen die App, um sich unabhängig von staatlich sanktionierten Nachrichtenquellen über die Kriegsgeschehnisse zu informieren.
Der 39-Jährige wurde im damaligen Leningrad (heute Sankt Petersburg) geboren, verbrachte aber seine Jugend in Italien, wo sein Vater arbeitete. Nach seinem Linguistikstudium in Sankt Petersburg gründete Durow 2006 zusammen mit seinem Bruder Nikolai das soziale Netzwerk VKontakte, das heute Vk heißt. Das soziale Netzwerk mit Millionen Nutzern gilt als das russische Facebook.
Nach den umstrittenen Parlamentswahlen 2011 in Russland verlangte die Kremlregierung von Durow, dass er bei VKontakte die Seiten von Oppositionspolitikern löscht. Durow weigerte sich.
Das erste Mal weltweites Aufsehen erregte Durow, als er dem US-Whistleblower Edward Snowden 2013 einen Job bei VKontakte anbot. Im selben Jahr verschärfte Russland die Kontrolle über das Internet in dem Land.
Mit seinem Bruder entwickelte er schließlich den Messenger Telegram mit einem Verschlüsselungskonzept. Seine Anteile an VKontakte hatte Durow an einen Verbündeten von Präsident Putin und dessen Investmentfirma verkauft. Durow verließ Russland.
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Der Chatdienst selbst verteidigt sich gegen die Vorwürfe. In einer Stellungnahme schrieb das Unternehmen, alle geltenden Regeln würden eingehalten, dazu gehöre auch das neue Digital-Gesetz DSA, das ein konsequenteres Durchgreifen gegen illegale Inhalte und Aktivitäten auf großen Online-Plattformen bewirken soll.
Durow „hat nichts zu verbergen“. Außerdem sei es „absurd“, eine Plattform oder ihren Besitzer für den Missbrauch des Dienstes durch Dritte verantwortlich zu machen.
Zahlreiche Länder haben bereits versucht, gegen Telegram wegen seines fehlenden Eingreifens bei fragwürdigen Inhalten vorzugehen – auch Deutschland.
Die jetzige Festnahme Durows in Frankreich könnte ein Signal für andere Regierungen sein, den Dienst erneut stärker unter Druck zu setzen. Das könnte zu schärferen Regulierungen oder Forderungen nach mehr Kontrolle und Überwachung auf der Plattform führen.
Die Festnahme könnte auch einen Vertrauensverlust bei Nutzern des Dienstes zur Folge haben. Telegram hat sich jahrelang einen Ruf als sicherer Messenger erarbeitet, der von seinen Nutzern wegen seiner Unabhängigkeit geschätzt wird.
Die Festnahme Durows könnte Zweifel an der zukünftigen Integrität und Sicherheit der Plattform aufkommen lassen.
Wie reagiert Russland auf die Festnahme?
Die russische Botschaft in Frankreich habe sich des Falls bereits angenommen, hieß es in einer von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zitierten Stellungnahme des Außenministeriums in Moskau.
Russlands Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte, die französischen Behörden seien aufgerufen worden, konsularischen Zugang zu Durow zu erlauben. „Das Problem ist nur, dass Durow auch die französische Staatsbürgerschaft hat“, sagte sie.
Droht eine Telegram-Abschaltung in Deutschland?
Das ist kaum möglich und technisch schwierig umzusetzen. Zwar ließe sich über eine Sperre des Dienstes bei den Internetanbietern erreichen, dass Telegram nicht mehr erreichbar ist. Über VPN-Verbindungen, mit denen Nutzer mit ausländischen IPs auf die Plattform zugreifen könnten, wäre der Dienst aber weiter abrufbar.
Warum eine Sperrung von Telegram auch juristisch schwierig wäre, hat der ehemalige Europaabgeordnete Felix Reda in einem Artikel bei „heise online“ dargelegt: „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige Sperrungen von Internetdiensten, die wahllos auch legale Inhalte treffen, mit dem Verbot einer Zeitung oder eines Fernsehsenders verglichen und als grundrechtswidrig ausgeschlossen.“