CDU-Politiker Kiesewetter: „Wenn die Bundeswehr unter die Räder gerät, nur weil die Ampel sich nicht einigen kann, wäre das katastrophal.“ (Quelle: Dominik Butzmann/t-online)

Marode Kasernen, systematische Erfassung, moderne Waffensysteme: Für all das braucht der Verteidigungsminister Geld, das nicht da ist. Scheitert Pistorius an der Haushaltspolitik der Ampel?

Kiesewetter: Woher Pistorius die 1,4 Milliarden Euro für die erste Stufe nimmt, möchte ich auch gerne wissen. Klar ist: Finanzminister Lindner kennt die finanziellen Probleme der Truppe. Wenn die Bundeswehr unter die Räder gerät, nur weil die Ampel sich nicht einigen kann, wäre das katastrophal. An der Union jedenfalls wird eine bessere Ausstattung der Bundeswehr nicht scheitern.

Woran denken Sie: Ein neues Sondervermögen? Oder an eine Aussetzung der Schuldenbremse für Investitionen in die Streitkräfte, wie Sie es mal vorgeschlagen hatten?

Kiesewetter: Das muss die Bundesregierung entscheiden. Wenn wir eingebunden werden, beteiligen wir uns konstruktiv.

Das heißt, Sie schließen weder ein neues Sondervermögen noch neue Schulden aus, um die Truppe zu modernisieren?

Kiesewetter: Wir sollten uns als Union nicht verweigern. Ich sage aber ausdrücklich, dass es die Aufgabe der Bundesregierung ist, solche Vorschläge zu machen.

Pistorius hat zuletzt vorgeschlagen, Ausgaben für die Bundeswehr an der Schuldenbremse vorbei über Milliardenkredite zu finanzieren. Eine gute Idee?

„Wir müssen mehr Einnahmen generieren, indem wir das Wirtschaftswachstum ankurbeln“, sagt Alexander Müller. (Quelle: Dominik Butzmann/t-online)

Kiesewetter: Da will ich mich nicht festlegen. Fakt ist: Irgendwoher muss das Geld kommen. Und wir dürfen nicht vergessen, wir brauchen es nicht nur für die Bundeswehr allein. Wir müssen unser ganzes Land kriegstüchtig machen, das betrifft vor allem auch unsere maroden Brücken, Schifffahrtswege und Bahnlinien. Wenn Sie heute der Deutschen Bahn sagen, Sie wollen am 7. August um 12.30 Uhr eine Division verlegen, dann zeigt Ihnen die Bahn den Vogel.

Die FDP inszeniert sich als Anwältin der Interessen der Bundeswehr, hat aber bis heute keinen Plan vorgelegt, wie sie den Mehrbedarf der Truppe finanzieren will.

Müller: Wir müssen mehr Einnahmen generieren, indem wir das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Dazu haben wir Vorschläge gemacht, wie wir Deutschland entbürokratisieren und die Unternehmen entlasten. Kurzfristig müssen wir aber auch sparen, vor allem im Bereich Arbeit und Soziales: Das Bürgergeld verschlingt einen enormen Teil des Haushalts. Der wichtigste Hebel ist, mehr Menschen aus dem Bürgergeld herauszubekommen und in Arbeit zu bringen. Da müssen wir auch über Anreize und stärkere Sanktionen nachdenken.



Allen ist klar, dass der Wehretat deutlich wachsen muss.


Alexander Müller


Aber reichen ein paar mehr Sanktionen und Kürzungen in anderen Ressorts, um die Verteidigungsausgaben adäquat zu erhöhen?

Müller: Wir haben einen Gesamthaushalt von 475 Milliarden Euro. Es muss möglich sein, einen zusätzlichen einstelligen Milliardenbetrag für den Verteidigungsminister herauszuholen.

Kiesewetter: Es geht aber um mehr als den einstelligen Milliardenbetrag für den Haushalt 2025. Wenn das Bundeswehr-Sondervermögen 2027 ausläuft, droht uns ein riesiges Loch bei den Verteidigungsausgaben. Um die Nato-Zusage eines Verteidigungsetats in Richtung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts einzuhalten, müsste der Wehretat auf eher 110 Milliarden steigen. Umso wichtiger ist es jetzt, in einer Phase der Verunsicherung unserer Gesellschaft für Klarheit zu sorgen.

Alexander Müller, Jahrgang 1969, ist verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. Er leistete seinen Wehrdienst 1988 in der Heeresflugabwehrschule in Rendsburg und ist heute Oberstleutnant der Reserve. Auch Roderich Kiesewetter. Jahrgang 1963, hat eine Bundeswehrvergangenheit: Bis zum Einzug in den Bundestag für die CDU im Jahr 2009 war Kiesewetter Oberst im Generalstabsdienst und in dieser Verwendung mehrfach im Ausland, unter anderem auf dem Balkan und in Afghanistan.

Hat Pistorius das Stufenmodell auch deshalb gewählt, um die finanziellen Ausgaben zu strecken, Herr Müller?

Müller: Das müssen Sie ihn fragen. Aber: Allen ist klar, dass der Wehretat deutlich wachsen muss. Aktuell stehen rund 52 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung, bis 2030 muss diese Summe auf jährlich 75 Milliarden Euro wachsen. Wie wir dahin kommen, muss aber im Wesentlichen die nächste Bundesregierung bestimmen, das ist eine Diskussion für den Bundestagswahlkampf 2025.

Kiesewetter: Da machst Du Dir es zu leicht, Alexander. Wir müssen schon jetzt über Wege sprechen, wie wir die Bundeswehr besser ausrüsten und wie viel Geld sie dafür braucht. Die Wehrbeauftragte Eva Högl spricht von 300 Milliarden Euro, die die Truppe bis 2030 braucht. Angesichts der instabilen Weltlage ist das vermutlich eine finanzielle Untergrenze.

Nach dem Wehrpflichtstreit: t-online-Reporter Daniel Mützel (v. l.), Roderich Kiesewetter, Alexander Müller und t-online Reporter Florian Schmidt. (Quelle: Dominik Butzmann/t-online)

Auch der künftige Wehrdienst wird zwischen Männern und Frauen diskriminieren: Männer werden verpflichtet, den Fragebogen zurückzuschicken, für Frauen bleibt er freiwillig. Wie stehen Sie beide dazu?

Müller: Wir haben mit dem Minister darüber gesprochen. Er ist der Meinung, dass er im letzten Jahr der Legislatur keine Grundgesetzänderung mehr durchbekommt.

Ist das auch Ihre Meinung?

Müller: Als er seine Vorschläge dem Verteidigungsausschuss vorgestellt hat, gab es aus allen demokratischen Parteien das Signal, dass der Grundgesetzartikel 12a geändert werden muss, sodass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Aus meiner Sicht sollte man es wenigstens versuchen, das noch bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 zu schaffen.

Stände die Union bereit, Herr Kiesewetter?

Kiesewetter: Es ist eine Frage der genauen Ausgestaltung des Artikels, aber an uns wird es nicht scheitern. Der 12a wird geändert werden, allerspätestens in diesem Jahrzehnt. Wir können nicht einen Teil der Gesellschaft ausklammern. Man könnte das auch noch in dieser Legislatur schaffen, wenn man wirklich wollte.

Fehlt Pistorius der politische Wille?

Kiesewetter: Den hat er, glaube ich, aber ihm fehlt der Mut des Tüchtigen. Den wünsche ich ihm.

Herr Kiesewetter, Herr Müller, vielen Dank für dieses Gespräch.

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