Nach der Steuerschätzung beginnt im Bundestag das finale Ringen um den Haushalt. Dabei geht es um ein Finanzloch, von dem keiner so recht weiß, wie groß es wirklich ist.

Christian Lindner (FDP) gibt sich Mühe, ernst dreinzuschauen, als er vor die Kameras tritt. Immerhin hat er eine ernste Nachricht mitgebracht. „Die wichtigste Botschaft vorweg“, sagt er, „es gibt keine Spielräume für Verteilungspolitik.“ Es müsse gespart werden, so sieht es der Finanzminister schon länger. Und an diesem Donnerstag sieht er sich einmal mehr bestätigt.

Lindner weilt gerade in Washington D.C. bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds, des IWF. 6.710 Kilometer Luftlinie trennen den Finanzminister von seinem Dienstsitz nahe dem Potsdamer Platz. Eigentlich geht es jenseits des Atlantiks um die große Finanzpolitik und um den Zustand der Weltwirtschaft. Dass er sich dennoch aus Amerika per Video nach Deutschland schaltet, hat mit einer Zahl zu tun, genauer: mit einer Summe, die in den kommenden Wochen das politische Berlin beschäftigen wird.

982 Milliarden Euro. So viel Steuergeld dürften Bund, Länder und Kommunen nach Schätzungen von Experten im nächsten Jahr einnehmen. Viel Geld. Aber eben etwas weniger, als ursprünglich erhofft. Noch im Sommer waren 995 Milliarden erwartet worden. Die Finanzlage des Staates spitzt sich also zu. Nur wie sehr? Und wie viel Spardruck gibt es wirklich? Darüber werden SPD, Grüne und FDP in den nächsten Wochen weiter streiten, wenn sie im Bundestag den Haushalt für 2025 aufstellen. Es geht schon los.

Schon die Frage, wie groß das Loch im Haushaltsplan für kommendes Jahr ist, lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Lindner versucht es am Donnerstag zunächst mit einer sehr großen Zahl: 13,5 Milliarden Euro betrage der „Handlungsbedarf“ für 2025. Das klingt nach sehr viel, und das wohl nicht zufällig. Der Finanzminister will die Koalition zur Disziplin ermahnen, das ist seine Aufgabe.

Die Zahl soll seine Schlussfolgerung stützen. Und die lautet: „Neue Ausgabenwünsche können nicht erfüllt werden.“ Und: Damit die Rechnung aufgeht, muss das Gesetzespaket, das die Wirtschaft anschieben soll, unbedingt kommen.

Doch ganz so dramatisch, wie es die 13,5 Milliarden Euro suggerieren sollen, ist die Lage dann doch nicht. Unter anderem, weil der Staat durch die schwächelnde Wirtschaft im Rahmen der Schuldenbremse nun höhere Kredite aufnehmen darf. 4,9 Milliarden Euro mehr, als im Etatentwurf der Regierung zuerst vorgesehen waren. Lindner will außerdem die freigewordenen Subventionen für die Intel-Chipfabrik, die vorerst doch nicht kommt, aus 2024 bis 2025 nutzen, um das Loch zu stopfen. Das sind weitere rund 7 Milliarden Euro.

Uneins in Geldfragen: Wirtschaftsminister Habeck (l.) will die eingesparten Intel-Milliarden gern für andere Förderprojekte ausgeben, Lindner möchte sie dem Haushalt zuführen. (Quelle: Carsten Koall/dpa/dpa-bilder)

Käme das so, würde das bisherige Loch im Haushalt also erst einmal nur um rund 1,6 Milliarden Euro wachsen. Die kämen auf die rund 2,4 Milliarden Euro drauf, also die Summe, um die die Ampel die bislang unüblich große Globale Minderausgabe reduzieren will. Das ist der Betrag, der erfahrungsgemäß am Ende nicht ausgegeben wird.

Die Ampel müsste nun nach der Steuerschätzung also rund 4 Milliarden Euro einsparen statt wie bisher gedacht 2,4 Milliarden Euro. Allerdings könnten in den nächsten Wochen noch ein paar Milliarden dazukommen, auch das gehört zur Wahrheit. Erst dann wird nämlich klarer sein, wie viel Geld wirklich für das Bürgergeld und für die Kompensation der EEG-Umlage ausgegeben wird.

Von einem „einstelligen Milliardenbetrag als Handlungsbedarf, der aber näher bei zehn als bei eins ist“, spricht Christian Lindner deshalb am Ende.

Also doch dramatisch? Lindners Koalitionspartner geben sich in den ersten Reaktionen vergleichsweise entspannt. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, sagte, die Ergebnisse zeigten, „dass wir neue wirtschaftliche und soziale Impulse brauchen“. Die Herausforderungen für den Bundeshaushalt seien „trotzdem beherrschbar“.

Bei der SPD sehen sie das ähnlich. Der zuständige Fraktionsvize Achim Post sagte, die Schätzung fließe nun natürlich in die Beratungen ein. „Vor unlösbare Aufgaben werden die Haushaltsverhandlungen jedoch nicht gestellt, auch da die Konjunkturkomponente der Schuldenregel zur Ankurbelung der Wirtschaft eine höhere Kreditaufnahme erlaubt.“

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