Nun ist es klar: Der HSV bleibt auch im siebten Jahr in Folge zweitklassig. Der Verein muss jetzt dringend handeln, damit ein neuer Anlauf gelingen kann.
Am Ende der HSV-Saison ist es wie immer: Ganz Hamburg träumt von der Bundesliga. Ganz Hamburg? Fast: Dem Stadtteilkonkurrenten aus St. Pauli ist das Kunststück namens Aufstieg gelungen, Kicks gegen die Bayern oder Dortmund sind am Millerntor bald wieder Realität. Schwarz-Weiß-Blau hingegen bleibt in der zweiten Liga, spielt gegen Nürnberg noch um die goldene Ananas und träumt dann weiter von der guten, alten Erstligazeit.
Trotzdem werden wohl wieder einmal weit mehr als 50.000 Menschen in das Volksparkstadion pilgern. „Wir geh’n immer noch zum HSV. Warum, wissen wir selber nicht so ganz genau“ – das haben Norbert und die Feiglinge schon vor 30 Jahren gesungen. Was Woche für Woche von den Rängen kommt, ob daheim oder auswärts, ist immer erstklassig geblieben. Anders als das, was die Führungsetage anbietet.
Sprachlosigkeit prägt den HSV
„Da stehst du schon als Spieler da unten und fragst dich, ob du diesen Moment überhaupt verdient hast“, sagte Sebastian Schonlau nach der Paderborn-Pleite am vergangenen Freitag. Geradezu sprachlos war der HSV-Kapitän. Allein ist er damit nicht. Seit Wochen steht die Frage im Raum, ob Sportvorstand Jonas Boldt weitermachen darf oder nicht. Der Aufsichtsrat müsste sich dringend entscheiden, wer den HSV auf einen neuen Anlauf zum Aufstieg vorbereiten soll, wirkt derzeit nach außen hin allerdings eher gelähmt denn handlungsfähig.
Es geistern, wie so oft, Träumereien von großen Namen durch den Volkspark. Es soll von Felix Magath und Spaniens Sturmlegende Raúl geträumt worden sein. Ralf Rangnick soll diskutiert worden sein, genauso Stuttgarts Sportchef Fabian Wohlgemuth – der aktuell einen Kader für die Champions League planen darf – oder Oliver Bierhoff. Jörg Schmadtke, zuletzt beim FC Liverpool tätig, galt als Top-Kandidat, aber der Aufsichtsrat konnte sich nicht zu einem Ja durchringen. Schmadtke sagte ab. Wer als Sportdirektor für Jürgen Klopp gut genug ist, erntet beim HSV ernsthaft Stirnrunzeln. Der HSV hat viele Traditionen. Leider gehört die fehlende Antwort auf die Frage, wie man sich die eigene Zukunft genau vorstellt, auch dazu.
Große Namen, große Träume – keine Lösungen
Ob es mit Boldt und Baumgart weitergeht, ob nur einer bleiben darf oder ob beide gehen müssen, das ist eine zentrale Entscheidung für den ganzen HSV. Welches Konzept verfolgt die Kaderplanung? Bleiben Robert Glatzel, Ludovit Reis, Miro Muheim oder Laszlo Benes, die alle Leistungsträger sind, aber eine Ausstiegsklausel im Vertrag haben? Was passiert mit den vielen Talenten, die der HSV hat? Welche externen Verstärkungen sind notwendig? Diese Fragen sollten lieber diejenigen entscheiden, die am ersten Spieltag der neuen Saison tatsächlich das Sagen haben.
So verschlafen die HSV-Bosse in diesen Tagen die Chance eines geordneten Neuanfangs. Eine kritische Analyse der Fehler ist nicht möglich, denn niemand weiß, wer diese vornehmen soll. So kann auch niemand sagen, was der HSV besser machen muss – und wie er das schaffen kann. Es soll am liebsten die große Nummer sein, die dem HSV ihr Erfolgsrezept überstülpt – und gut ist. Einen eigenen „HSV-Weg“ oder eine „HSV-Identität“ gibt es in diesen Überlegungen nicht.
Vielleicht ist genau das der Grund, weshalb selbst vermeintlich „kleine“ Vereine wie Heidenheim, Darmstadt, Holstein Kiel und der FC St. Pauli vor dem HSV Bundesliga-Luft erster Klasse schnuppern dürfen. Im Volkspark darf dagegen wie immer nur davon geträumt werden. Der „schlafende Riese HSV“ (Uli Hoeneß) schlummert selig weiter.