Die ukrainischen Flüchtlinge kommen nur schwer im Arbeitsmarkt an. Dafür gibt es Gründe. Und doch ist derweil eine Diskussion darüber entbrannt, ob der Staat Neuankömmlingen künftig weniger Geld überweisen sollte.
„Turbo“ – das klingt schnell, das signalisiert: Eine eigentlich lange Strecke legen wir jetzt in deutlich weniger Zeit zurück. Diesen Eindruck wollte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Oktober 2023 wohl auch erwecken, als er den „Jobturbo“ für die mehr als eine Million ukrainischen Flüchtlinge ausrief, die dieses Jahr deutlich schneller in Arbeit gebracht werden sollten als bislang.
Allein: So recht zünden will dieser Turbo nicht, auch wenn es zwischenzeitlich kurz so aussah. Das jedenfalls legen aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit nahe. Demnach sind im Mai 6.502 ukrainische Staatsangehörige aus dem Bürgergeldbezug in einen regulären Job gewechselt.
Gegenüber dem Vorjahresmonat ist das zwar ein sattes Plus von 120,5 Prozent, im Mai 2023 waren es nur 2.949. Aber: Das Niveau ist verglichen mit der Gesamtzahl von rund 1,1 Millionen ukrainischen Kriegsflüchtlingen weiterhin sehr niedrig. Und gegenüber dem Vormonat April ergab sich in absoluten Zahlen sogar ein Rückgang um fast 300 Personen.
Im Arbeitsministerium gibt man sich dennoch zuversichtlich und verweist zugleich auf die schwache Konjunktur, die eine Vermittlung in Arbeit grundsätzlich erschwert. „Der ‚Jobturbo‘ ist auf Hochtouren angelaufen und nimmt derzeit gerade auch in der Fläche der Bundesrepublik Fahrt auf“, sagte ein Ministeriumssprecher t-online. Für eine abschließende Bewertung der Maßnahmen sei es noch zu früh. Jedoch zeige sich, dass Ukrainer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weit häufiger aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung kämen – und zwar „trotz der wirtschaftlich eingetrübten Lage“.
Mit dieser Darstellung hat das Ministerium einen Punkt. Die Wirtschaft läuft schwächer als erwartet, auch Bürgergeldbezieher ohne Fluchthintergrund haben es da auf dem Arbeitsmarkt schwerer. Hinzu kommt: Viele der Ukrainer sind Mütter, die alleine mit ihren kleinen Kindern nach Deutschland geflohen sind. Selbst wenn sie wollten, können sie häufig keine Arbeit aufnehmen – weil es an Betreuungsangeboten fehlt.
Und tatsächlich wächst die Gesamtzahl der Ukrainer, die in Deutschland arbeiten, dennoch kontinuierlich an. Die jüngsten Zahlen, die das zeigen, stammen vom März, damals waren 184.500 Ukrainer in Deutschland regulär beschäftigt, hinzu kamen 46.900, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgingen. Macht in Summe 231.400 Ukrainer, die hierzulande arbeiten – fast zweieinhalbmal so viele wie vor einem Jahr.
Was die Statistiken aber auch zeigen: Weil immer wieder neue Menschen aus der Ukraine ankommen, steigt die Beschäftigungsquote über die Zeit kaum an. Den März-Zahlen zufolge hatte gerade einmal jeder vierte Ukrainer (26,5 Prozent) einen Job. Vor mehr als zwei Jahren bei Ausbruch des Krieges im März 2022 als noch deutlich weniger Geflüchtete hier lebten, lag die Quote bei knapp 20 Prozent.
Wie t-online aus Ampelkreisen erfuhr, soll eine Bilanz des „Jobturbos“ gen Ende des Sommers gezogen werden. Bis dahin, so die Hoffnung, ist noch ein bisschen Zeit, damit der Turbo doch noch zündet – wobei die Hoffnung längst nicht alle teilen.
Steffen Kampeter, Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), etwa sagte t-online: „Der ‚Jobturbo‘ ist ein Flop. Wir brauchen jetzt schnelle Erfolge bei der Fach- und Arbeitskräftesicherung. Wir müssen den Turbo für den ganzen Arbeitsmarkt zünden. Die Politik muss an allen Hebeln Hand anlegen und alle vorhandenen Potenziale mobilisieren.“
Wichtig sei in diesem Zuge auch eine Grundsanierung des Bürgergeld-Systems. Kampeter: „Wir müssen an den großen Stellschrauben drehen, sonst kommen wir nicht von der Stelle.“
Eine dieser Stellschrauben, so viel ist seit dem Wochenende klar, dürfte dabei auch die grundsätzliche Frage sein, ob ukrainische Geflüchtete weiterhin vom ersten Tag an Bürgergeld beziehen – oder zunächst Zuwendungen nach dem Asylrecht bekommen sollten. Für Letzteres macht sich die Union schon länger stark, am Sonntag schloss sich auch FDP-General Bijan Djir-Sarai der Idee an.