Mit einem filmreifen Überfall fing alles an

Darum geht es im Krieg der Mocro-Mafia in NRW


25.09.2024 – 13:33 UhrLesedauer: 3 Min.

Ein SEK-Einsatz in Köln (Archivbild): Im Juli befreiten die Beamten zwei Geiseln der sogenannten Mocro-Mafia. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Schwer bewaffnete und maskierte Gangster raubten eine andere Bande aus. Seitdem explodiert in NRW die Gewalt, mutmaßlich Unbeteiligte geraten zunehmend in Gefahr.

Am frühen Mittwochmorgen hat es in Köln schon wieder gekracht. Um 2.45 Uhr riss eine Explosion Anwohner aus dem Schlaf, im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses brannte ein Café vollständig aus. 20 Anwohner mussten aus ihren Wohnungen gerettet werden, die Feuerwehr brauchte bis 4 Uhr, um die Flammen zu löschen.

Am Morgen danach hängen Teile der zerfetzten Außenverkleidung herunter. Und im Raum steht eine Frage: War es schon wieder die sogenannte Mocro-Mafia?

Allein in Köln hat es in den vergangenen zehn Tagen drei Explosionen gegeben, mehrere Menschen wurden dabei verletzt. Die ersten beiden Anschläge rechnen die Ermittler niederländischen Drogenbanden zu, die in Deutschland auf Rachefeldzug zu sein scheinen. Bei dem dritten vom Mittwochmorgen stochern die Ermittler noch im Dunkeln.

Explosions-Serie in Köln: In der Nacht zu Mittwoch setzte ein Sprengsatz ein Café in Brand. (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt/imago)

Der Auslöser für die Gewalteskalation: Einer dieser Banden ist eine große Menge Drogen gestohlen worden. „Bei den ersten Fällen war es offenkundig“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul. „Da ging es um verloren gegangenes Drogenmaterial, 300 Kilo Cannabis im Wert von 1,5 Millionen Euro, was die wiederhaben wollten.“

Der Coup, auf den Reul anspielt, fand Ende Juni auf einem heruntergekommenen Gelände in Hürth bei Köln statt – und er war Berichten zufolge filmreif. In einer alten Lagerhalle war laut „Bild“ palettenweise Cannabis gestapelt. Eine zehnköpfige Gang um einen Mann aus Köln habe das Gras in einem Transporter aus Spanien geliefert bekommen. Der Boss der Gang sollte die Drogen in Hürth zwischenlagern und dafür mehrere Tausend Euro kassieren. Bestellt hatte den Stoff ein Geschäftspartner der Mocro-Mafia aus Venlo.

Die Ermittler benutzen den Begriff „Mocro-Mafia“ nicht, der sich in den Niederlanden und nun auch in Deutschland eingebürgert hat. Sie sprechen stattdessen von Bandenkriminalität mit Verbindungen in die Niederlande. Das hat mehrere Gründe: Erstens sind die Kriminellen nicht unter straffer Führung in einer Organisation vereint (wie der Begriff Mafia suggeriert), sondern stehen sich in einem Geflecht von teils erbittert konkurrierenden Banden gegenüber. Und zweitens besteht zwar eine historisch bedingte enge Verbindung der Banden nach Marokko, aber mittlerweile sind sie Experten zufolge „genauso multikulturell wie die Oranje-Elf. Da sind auch Ur-Holländer in der x-ten Generation dabei.“ Mehr zu Geschichte, Besonderheiten und dem besonders brutalen Vorgehen der sogenannten Mocro-Mafia lesen Sie hier.

Aber dann fuhren der „Bild“ zufolge eines Nachts auf einmal schwer bewaffnete Männer vor. Es soll ein wahres Überfallkommando gewesen sein: Die Gangster überwältigten demnach den an der Lagerhalle postierten Aufpasser und räumten dann das Depot aus. Allerdings sei ihr Transporter viel zu klein gewesen. „Scheiße, da passt nichts mehr rein!“, soll ein Maskierter beim Beladen geflucht haben.

Video | Köln: Explosion an Mehrfamilienhaus

Von insgesamt 500 bis 700 Kilo Gras, die in der Halle gewesen sein sollen, wurden so nur 300 geraubt. Den Rest soll die Mocro-Mafia noch schnell in Sicherheit gebracht haben, bevor das SEK anrückte und alles auseinandernahm.

Und dann ging es los: Eine Explosion nach der anderen erschütterte Köln, bis zum 30. Juni zählten die Ermittler die ersten drei. Anfang Juli wurde ein Paar aus Bochum nach Köln verschleppt, Videoaufnahmen zeigen, wie die Frau und der Mann gefoltert wurden. Auch in anderen Städten schlugen die Gangster zu, Schüsse fielen.

„Mit Drohungen, Erpressungen und Entführungen“ hätten die Gangster versucht, herauszufinden, wer sie ausgeraubt hat, sagte NRW-Innenminister Reul: „Da geht es um richtig große Werte, da setzen die alle Mittel ein.“

Köln kommt nicht zur Ruhe: Am vergangenen Wochenende fielen etwa 30 Schüsse auf ein Uhrengeschäft. (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt/imago)

Mittlerweile wurden mehrere Verdächtige festgenommen. Aber die Gewaltwelle ebbt nicht ab. „Wir stehen hier als Polizei Köln aktuell vor großen Herausforderungen durch beispiellose Fälle der Gewalt und Schwerkriminalität, die es bis dato in Köln so noch nicht gegeben hat“, sagte der Chef der Kölner Kriminalpolizei, Michael Esser.

Mehr als 60 Ermittlerinnen und Ermittler würden den Komplex derzeit bearbeiten, erklärte er vergangene Woche: „Es gibt offensichtlich im Milieu offene Rechnungen, die noch beglichen werden.“

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