Bundestag stimmt ab
Das steckt hinter der Aussetzung des Familiennachzugs
27.06.2025 – 07:06 UhrLesedauer: 3 Min.
Bestimmte Geflüchtete in Deutschland sollen zukünftig nicht mehr die Möglichkeit bekommen, Familienangehörige nachzuholen. Was bedeutet das genau?
Der Bundestag soll am heutigen Freitag die zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete ohne Asylstatus beschließen. Dies ist eine von mehreren Maßnahmen von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), um die Migrationszahlen in Deutschland zu senken. Worum es geht und warum das Vorgehen umstritten ist:
Es geht um Familienangehörige von sogenannten subsidiär Schutzberechtigten. Dies sind Menschen, die in Deutschland weder im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention noch als Asylberechtigter anerkannt wurden, aber aus anderen Gründen bleiben dürfen. Dies ist der Fall, wenn ihnen im Heimatland Folter, Todesstrafe oder unmenschliche Behandlung droht. Betroffen sind häufig Bürgerkriegsgeflüchtete. Subsidiär Schutzberechtigte bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst drei Jahre, die verlängert werden kann.
Über den Familiennachzug können sehr enge Angehörige, also Ehegatten, minderjährige, ledige Kinder und Eltern von minderjährigen Kindern, ein Visum beantragen. Zuletzt gab es ein Kontingent von bis zu 1.000 solchen Zuzügen pro Monat. Nach der Geflüchtetenkrise war diese Möglichkeit ab März 2016 schon einmal für gut zwei Jahre ausgesetzt worden. 2018 wurde sie dann mit der Begrenzung auf 1.000 Zuzüge pro Monat wieder eingeführt.
Die Vergabe der Plätze erfolgt über das Visumverfahren, die Anträge müssen also bei den deutschen Botschaften oder Generalkonsulaten im Ausland gestellt werden. Diese und die in Deutschland zuständige Ausländerbehörde prüfen dann, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.

Ja. Im vergangenen Jahr seien weltweit rund 12.000 Visa über das Instrument des Familiennachzugs ausgestellt worden, heißt es im Gesetzentwurf, 2023 waren es demnach 11.630. Wie es aus dem Auswärtigem Amt hieß, waren es im laufenden Jahr bisher rund 5.760 – im vergangenen Jahr im gleichen Zeitraum 6.148. Die meisten davon kamen 2024 und 2025 aus Syrien, Somalia, Jemen, Afghanistan und Eritrea.
Wie viele Menschen in Deutschland sind von der Aussetzung betroffen?
Zum Stichtag 31. März 2025 lebten insgesamt 388.074 Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum subsidiären Schutz in Deutschland, die meisten davon aus Syrien. Sie könnten grundsätzlich Familienangehörige nachholen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. „Wie viele dieser Personen bereits in der Kernfamilie in Deutschland leben und keinen Familiennachzug mehr geltend machen können, ist nicht bekannt“, steht im Gesetzentwurf. Demnach wird angenommen, dass sich pro Jahr 50.000 Menschen auf Wartelisten für den Familiennachzug registrieren.
- Familiennachzug wird massiv eingeschränkt: Das sind die Folgen
Der ursprüngliche Gedanke beim Familiennachzug war ein humanitärer. Kinder sollten nicht von ihren Eltern getrennt aufwachsen, Ehepaare nicht dauerhaft in unterschiedlichen Ländern leben müssen. Die Befürworter sehen darin auch einen Beitrag zur Integration von Geflüchteten in Deutschland: Wer sein direktes familiäres Umfeld nah bei sich hat, könnte sich der Gesellschaft und dem Staat eher zugehörig fühlen als diejenigen, die ganz ohne Familie hier leben.
Gegner des Familiennachzugs weisen aber darauf hin, dass die Kapazitäten für Wohnraum und Integrationsprogramme in den Kommunen ausgeschöpft sind. Zudem halten Kritiker das Instrument für einen sogenannten Pullfaktor, der weitere Anreize zur Migration nach Deutschland aus Bürgerkriegsländern schafft.

Ausnahmen für Härtefälle soll es fortan weiterhin geben. Dobrindt nannte etwa Situationen, in denen Familienangehörige „dringende medizinische Versorgung brauchen, die ihnen in ihrem Heimatland nicht gewährt werden kann“.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert jedoch, dass es keine Übergangsregelung für Menschen gibt, „die bereits in einem laufenden Visumverfahren sind oder seit Monaten auf Terminwartelisten bei den Botschaften stehen. Für sie würde das Verfahren abgebrochen und für mindestens zwei Jahre auf Eis gelegt.“