Der Generalinspekteur der Bundeswehr warnt, dass das Bedrohungspotenzial Russlands wächst – und berichtet, dass Deutschland für einige Nato-Beiträge mehr Zeit brauche.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, hat einen Zeitraum abgesteckt, in dem Deutschland sich auf einen möglichen Krieg vorbereiten muss. „Wenn ich den Analysten folge und sehe, welches militärisches Bedrohungspotenzial von Russland ausgeht, dann heißt das für uns fünf bis acht Jahre Vorbereitungszeit“, sagte er im Interview mit der „Welt am Sonntag“. „Und weil ich Militär bin, sage ich: In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein.“

Erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges werde ein möglicher Krieg von außen vorgegeben, sagte Breuer weiter. Das bedeute nicht, dass es Krieg geben werde. Aber er sei möglich. Auf die Frage, wie hoch er die Wahrscheinlichkeit einschätze, dass Russland über die Ukraine hinausgreife, sagte er: „Wir haben gesehen, dass in Russland per Duma-Beschluss auf Kriegswirtschaft umgestellt worden ist. Das Potenzial wächst also zurzeit.“

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Es gehe am Ende darum, sich verteidigen zu können und dadurch für einen Gegner das Risiko so hoch anzusetzen, dass er sich gegen einen Angriff entscheide. „Das ist Abschreckung. Für mich ist das Sondervermögen schon ein Ausdruck dessen, dass das in der Politik angekommen ist.“

Breuer: Deutschland braucht mehr Zeit für Nato-Ziele

Breuer räumte ein, dass Deutschland mehr Zeit als angekündigt brauche, um seine militärischen Beiträge zur Verteidigung im Nato-Bündnis zu leisten. Auf die Frage, ob es militärische Fähigkeiten gebe, die von der Bundesregierung zugesagt wurden, aber nun voraussichtlich erst später zur Verfügung gestellt werden könnten, antwortete er: „Die gibt es.“ Um welche Fähigkeiten es sich dabei im Einzelnen handelt, wollte er nicht sagen. Er begründete dies damit, dass ein Gegner von solchen Erkenntnissen profitieren könne.

Die deutschen Streitkräfte steckten – ebenso wie die Nato – in einer Phase des Umbruchs, sagte Breuer und fügte hinzu: „Zur Ehrlichkeit gehört auch der Satz: Das wird jetzt noch mal ein bisschen rumpeln – aber im positiven Sinne.“ Er stehe in ständigem Kontakt mit dem Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Christopher Cavoli. Der habe ihm gesagt: „Ja, sagt uns bitte, was ihr jetzt schon könnt und ab wann ihr alles könnt. Damit kommen wir viel besser klar, als wenn man ein Wolkenkuckucksheim baut.“

CDU-Verteidigungspolitiker fassungslos

Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Aussagen Breuers machten ihn fassungslos: „Zwei Jahre nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, zwei Jahre nach der erklärten Zeitenwende, anderthalb Jahre nach der Nationalen Sicherheitsstrategie und über ein halbes Jahr nach dem historischen Gipfel der Nato in Vilnius erklärt der oberste militärische Berater der Bundesregierung, dass Deutschland im Bündnis im Grunde genommen blank dasteht.“

Die Bundesregierung habe zwar das richtige Ziel formuliert, dass die Bundeswehr das Rückgrat der konventionellen Verteidigung der Nato in Europa darstellen solle. Doch sehe es jetzt eher so aus, als wolle Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine eigene Zeitenwende „aussitzen“, kritisierte der Verteidigungspolitiker.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte zuletzt davon gesprochen, dass Deutschland kriegstüchtig werden müsse. In den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien, die er im November vorlegte, wird „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime“ bezeichnet. Pistorius und Generalinspekteur Breuer schreiben in dem Dokument: „Wir müssen Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein. Unsere Bevölkerung, aber auch unsere Partner in Europa, Nordamerika und der Welt erwarten von uns, dass wir uns dieser Verantwortung stellen.“

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