Quasi über Nacht kauft die Unicredit dem Bund beträchtliche Anteile an Commerzbank-Aktien ab. Der Kurs schießt nach oben. Der Bund: in der Kritik. Wie geht es nun weiter?

Kaum hatte die Bundesregierung angekündigt, dass sie ihre Anteile an der Commerzbank allmählich zurückfahren möchte, nutzt die italienische Unicredit die Gelegenheit. Sie sichert sich ohne große Vorwarnung neun Prozent an Deutschlands zweitgrößter Privatbank. Ihr Ziel: eine Übernahme. Ist das realistisch?

Manche nennen es naiv – andere einen schweren Fehler. Ob sich die Bundesregierung bei dem Verkauf einiger Commerzbank-Anteile übertölpeln ließ oder nicht, sei mal dahingestellt. Fakt ist: Der Bund hatte in einem ersten Schritt 4,5 Prozent seiner Anteile, die er in der Finanzkrise an der Commerzbank erworben hatte, zum Verkauf gestellt. Die Unicredit hat das beste Angebot gemacht. Und ist zum Zug gekommen. Weitere 4,5 Prozent hatte sie sich über die Börse an der Commerzbank gesichert. Damit scheint im politischen Berlin niemand gerechnet zu haben.

(Quelle: Rüdiger Jürgensen)

Antje Erhard arbeitet seit rund 20 Jahren als Journalistin und TV-Moderatorin. Ihr Weg führte sie von der Nachrichtenagentur dpa-AFX u. a. zum ZDF. Derzeit arbeitet sie für die ARD-Finanzredaktion in Frankfurt am Main und berichtet täglich, was in der Welt der Börse und Wirtschaft passiert.

In der Politik ist der Schock groß. Dabei ist seit Jahren bekannt, dass die Unicredit ein Interesse an der Commerzbank hat. Solche Pläne zaubert man ja nicht in wenigen Tagen – kaum verkündet eine Regierung Pläne zu Anteilsverkäufen – aus der Schublade. Schon vor einem Jahr wollte Unicredit den Anteil des Bundes an der Commerzbank kaufen – den gesamten, also 16,49 Prozent. Nun sind die Italiener auf anderem Weg zum zweitgrößten Aktionär der Commerzbank aufgestiegen. Und es tobt ein Streit in Berlin darüber, wie das passieren konnte.

Die Börse hat längst ihre eigene Antwort: Die Commerzbank-Aktie ist so teuer wie seit zwölf Jahren nicht. Allein am Tag, als das Unicredit-Angebot bekannt wurde, stieg sie zeitweise um 20 Prozent. Unicredit-Chef Andrea Orcel verspricht naturgemäß einen „erheblichen Mehrwert“ für alle Beteiligten. Das hören Aktionäre gern. Machen wir uns an eine differenzierte Betrachtung.

Nicht nur der deutsche Staat, auch andere Regierungen haben in den vergangenen Monaten die Gewinnsituation europäischer Banken genutzt und Anteile verkauft. Die Banken haben mit den gestiegenen Zinsen gut verdient, ihre Aktien sind gestiegen. Viele Staaten, die in der Finanzkrise 2008/09 ihren Geldhäusern beigesprungen waren, wie Deutschland der Commerzbank, fahren dieses Engagement nun zurück. Die meisten – wie auch der deutsche Staat – begrenzen allerdings nur ihre Verluste. Nichtsdestotrotz hat der Trend zum Verkauf Fahrt aufgenommen: Die Niederlande zogen sich teilweise aus der ABN Amro zurück, die griechische Regierung gleich aus mehreren Instituten.

Eine Konsolidierung auf dem Bankenmarkt in Europa, wo es viele Banken gibt, ist ohnehin denkbar und könnte nun einen Gang zulegen. Die Commerzbank ist mittendrin: Sie gilt seit Jahrzehnten als Kandidat, wenn es um Übernahmen im Bankensektor geht. Nahezu jede größere Bank in Europa hat wohl schon entsprechende Szenarien gedanklich durchgespielt. Darunter die Niederländer der ING und ABN Amro sowie französische Banken. Auch die Deutsche Bank als größter deutscher Player. Zuletzt 2019.

Für die Commerzbank wäre das nicht nur positiv. Mitarbeiter könnten das Weite suchen, denn Übernahmen bedeuten immer Unruhe. Das will nicht jeder. Oft wandern dann vor allem die besten Köpfe ab. Ein sogenannter Braindrain. Doppelstrukturen wie in Verwaltungen und Konzernzentralen dürften gestrichen werden.

Im Falle Unicredit und Commerzbank gäbe es schon einige Überschneidungen im Firmenkundengeschäft. Die Commerzbank ist eine starke Mittelstandsbank – und diese Zielgruppe ist begehrt. Unternehmen, die bei beiden Banken Kunde sind, könnten aber eine dieser Beziehungen kappen und zu anderen Instituten wechseln, um Abhängigkeiten zu verringern. Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind hier ebenfalls gut aufgestellt und wären da eine Alternative. Oder andere internationale Player, die längst auf dem deutschen Markt Fuß gefasst haben.

Kommt die Unicredit aber bei der Commerzbank zum Zuge, entstünde eine Bank mit einem Marktwert von rund 74 Milliarden Euro. Die Unicredit wirbt mit ihren Erfolgen: Sie hat einst bereits die Hypovereinsbank übernommen. Sie mache, so verkündete es Unicredit-Chef Andrea Orcel selbstbewusst in einem Interview mit dem „Handelsblatt“, doppelt so viel Rendite wie die Commerzbank.

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