„Könnte Sicherheit erheblich gefährden“

Clan-Milieu im Ruhrgebiet: Experte warnt vor dieser Entwicklung


15.10.2024 – 01:02 UhrLesedauer: 2 Min.

Diese Männer wurden nach der Schlägerei in Castrop-Rauxel festgesetzt (Archivbild). (Quelle: Justin Brosch)

Verschärft sich das Clan-Problem im Ruhrgebiet in den kommenden Jahren? Vor dem Landtag warnt ein Experte eindrücklich – und nennt Ursachen.

Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen im Sommer 2023 in Essen und Castrop-Rauxel könnten laut einem Experten nur der Auftakt zu weiteren Konflikten gewesen sein. Dr. Mahmoud Jaraba, Politologe an der Universität Erlangen-Nürnberg, warnt in einer Stellungnahme für den Innenausschuss des Landtages vor möglichen neuen Problemen mit einem kleinen Teil von zugewanderten Syrern.

Der Forscher, der seit 2015 zu Clankriminalität forscht, sieht wachsende Rivalitäten zwischen etablierten Clan-Mitgliedern und Neuankömmlingen in Nordrhein-Westfalen. „Die Auseinandersetzungen im Sommer 2023 in Castrop-Rauxel und Essen verdeutlichen, dass solche Spannungen auch zukünftig häufiger auftreten könnten“, schreibt Jaraba.

Die Ursachen für diese Konflikte sind laut dem Experten vielschichtig: Neben kriminellen Aktivitäten spielen auch politische und ethnische Konflikte aus dem Nahen Osten eine Rolle. Zudem sieht Jaraba eine „soziale Konkurrenz“ unter jungen Menschen aus benachteiligten Vierteln sowie einen zunehmenden Konkurrenzkampf in legalen Wirtschaftszweigen wie Shisha-Bars und Gastronomiebetrieben.

Bei den Auseinandersetzungen im vergangenen Jahr gingen Dutzende Männer mit Baseballschlägern, Messern und Macheten aufeinander los. Es gab mehrere, zum Teil schwer Verletzte.

Jaraba warnt in seiner Stellungnahme vor einer zunehmenden Tendenz in einigen syrischen Gemeinschaften, sich in Clans (Aschira) und Stämmen (Qabila) zu organisieren. Er betont jedoch, dass diese Strukturen nicht repräsentativ für die gesamte syrische Gemeinschaft in Deutschland seien. Viele Geflüchtete aus Syrien würden sich ausdrücklich von solchen Gruppen distanzieren.

Razzia gegen Clan-Kriminalität in Essen (Archivfoto). (Quelle: Socrates Tassos / FUNKE Foto Services/imago-images-bilder)

Dennoch sieht der Politologe Risiken: Mindestens ein syrischer Clan in Deutschland sei nachweislich in Drogen- und Menschenhandel sowie in internationale Geldüberweisungen verwickelt. „Es ist wahrscheinlich, dass weitere Familien aus diesen Strukturen in den kommenden Jahren ähnliche Wege einschlagen könnten“, so Jaraba.

Der Experte warnt: „Das größte Problem besteht darin, dass sie ihre kriminellen Netzwerke innerhalb der breiteren syrischen Gemeinschaft ausbauen. Sollten diese Strukturen ihre Verbindungen in andere Teile der syrischen Diaspora verstärken, könnte dies die innere Sicherheit in NRW erheblich gefährden.“

Trotz der Konflikte dürfe es keine Stigmatisierung von syrischen Zugewanderten und einzelnen Clan-Mitgliedern geben, so der Forscher. Die Mehrheit der Mitglieder solcher Familienverbünde distanziere sich ausdrücklich von Kriminalität, gerate aber ständig unter Generalverdacht – das führe auch dazu, dass vielen betroffenen Jugendlichen trotz guter Qualifikationen Lebenschancen in NRW verwehrt blieben.

Auch den Begriff der Clankriminalität hält Jaraba für „problematisch und irreführend, da er ein vereinfachtes Bild von einem äußerst komplexen Phänomen vermittelt.“ Seine Forschungen hätten gezeigt, dass die familiäre Herkunft oder Loyalitäten, also eben das, was oft unter „Clan“ zusammengefasst wird, nicht ausschlaggebend für das kriminelle Verhalten sei.

Laut dem NRW-Innenministerium wurden im Jahr 2023 insgesamt 383 Razzien gegen Clankriminelle durchgeführt und mehr als 1000 Objekte durchsucht. Anfang November soll ein neues Lagebild zur Clan-Kriminalität in NRW veröffentlicht werden, allerdings noch ohne konkreten Bezug zu Syrern. Dieses Milieu werde erst später in einem Lagebild zur Organisierten Kriminalität berücksichtigt, heißt es in einem Bericht der „WAZ“.

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