Christian Drosten und Georg Mascolo diskutierten im Rahmen Lit.Cologne über die Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Und Drosten warnte vor einem neuen Virus.

Dienstagabend, kurz vor 18 Uhr. Vor dem verregneten WDR-Funkhaus hat sich eine lange Besucherschlange gebildet. Die Veranstaltung „Alles überstanden? – Christian Drosten & Georg Mascolo führen ein längst überfälliges Gespräch“ ist zwar nicht ausverkauft, trotzdem bleiben im Saal nur wenige Plätze unbesetzt.

Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie scheint das Interesse, vor allem das an der Person Christian Drosten, ungebrochen. Der Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité wurde in den Pandemiejahren von 2020 bis 2023 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Zum einen als wissenschaftlicher Berater der Bundes- und Landesregierungen als auch mit einem täglichen Podcast, der über das Coronavirus aufklärte.

Viele Fragen in Bezug auf die Bewältigung dieser globalen Krise sind allerdings offen geblieben. Fragen wie: Wurden die richtigen Maßnahmen ergriffen? War es richtig, Schulen zu schließen? Fragen, denen sich Drosten gemeinsam mit dem Journalisten Georg Mascolo in dem bereits im Juli erschienenen Gesprächsband „Alles überstanden?“ und dem ausschweifenden Untertitel „Ein überfälliges Gespräch zu einer Pandemie, die nicht die letzte gewesen sein wird“ widmet. Und denen sich beide an diesem Abend auf der Bühne des WDR-Funkhauses stellen.

„Der Blick zurück“, mahnt Journalist Mascolo direkt zu Beginn der Veranstaltung, „sei Pflicht“ und er erntet den ersten Zwischenapplaus des Abends, als er bekräftigt, dass der Staat den Bürgern über den Verlauf der Pandemie die größtmögliche Transparenz schulde.

Drosten berichtet von der Schwierigkeit, Politiker während der Pandemie wissenschaftlich zu beraten. Kopfschüttelnd räsoniert er: „Die Statistik hat teilweise nicht ausgereicht.“ Und weiter: „Man musste darauf bestehen, dass die Pandemie echt ist.“ Er kritisiert am Abend auch die Rolle der Medien. Wissenschaftliche Diskussionen haben sich im Laufe der Pandemiejahre aus einer „Expertensphäre“ in Talkshows verlagert. Plötzlich sei es statt um Statistiken und wissenschaftliche Modelle um Deutungshoheiten in der Öffentlichkeit gegangen.

Drosten, der während der Pandemie auch zur Zielscheibe von „Querdenker“-Bewegungen wurde, berichtet an diesem Abend von Morddrohungen, die er aufgrund seiner beratenden Tätigkeiten erhalten habe. „Das war keine schöne Zeit“, so Drosten. Und leider habe diese negative Erfahrung auch zu Konsequenzen unter Kollegen geführt. „Ganz klar: Seit der Pandemie haben viele meiner Kollegen und Kolleginnen weniger Bereitschaft, in die Öffentlichkeit zu gehen“, so der Virologe.

Im Hinblick auf zukünftige Pandemien erklärte Drosten, dass ihm momentan das Virus H5N1 Sorgen bereite. Dieses Vogelgrippe-Virus verändere sich stetig. Mittlerweile seien massenhaft Milchkühe in den USA infiziert, und über die Milch könnten andere Säugetiere infiziert werden. Doch in den USA werde zu wenig geforscht. Grundlegendes Problem, so konstatierte Drosten am Abend: „Wir haben einfach zu wenig Daten.“

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