Sollte die AfD den Vorsitz für Ausschüsse im Bundestag bekommen? In der Union werden Stimmen lauter, die das fordern. Das führt schon jetzt zum Konflikt mit dem Koalitionspartner SPD.
In der Union wächst der Druck, die AfD im Bundestag auf Vorsitzposten in den wichtigen Fachausschüssen zu wählen. „Durch Ausgrenzung werden AfD-Abgeordnete in den Rang von Märtyrern erhoben“, sagte CDU-Politikerin Gitta Connemann, Chefin der einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), zu t-online. Jedenfalls bestehe diese Gefahr. „Die Demokratie muss besser sein als ihre Feinde.“ So schwer es auch falle: „Die AfD lässt sich nur durch Sacharbeit entzaubern.“
Zugleich sagte Connemann: „Wir müssen jeder Normalisierung der AfD entgegenwirken. Die AfD-Fraktion missbraucht immer wieder demokratische Mittel, um die Demokratie zu unterminieren.“ Sie argumentierte: „Ein Ausschussvorsitz verlangt mehr als Schreierei, markige Worte und TikTok-Clips.“ Die AfD-Abgeordneten würden sich messen lassen müssen.
Am Wochenende hatte Unionsfraktionsvize Jens Spahn die Debatte über den Umgang mit der AfD wiederbelebt. Am Samstag hatte er in der „Bild“ gesagt, er empfehle, mit der AfD bei Verfahren und Abläufen im Bundestag so umzugehen wie mit den anderen Oppositionsparteien auch. Die Politik müsse anerkennen, wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt hätten.
Im ZDF legte Spahn am Sonntag nach. Er glaube nicht, dass „Geschäftsordnungstricks“, wie er es nannte, „uns am Ende helfen“. Die AfD könne sich dann in eine „Opferrolle“ hineinbegeben. Man schrumpfe sie am besten durch eine „harte Auseinandersetzung und eine bessere Politik“.
Die SPD lehnt das bisher jedoch entschieden ab, was nun zu weiteren Konflikten in der ohnehin komplizierten Koalitionsbildung führt. Und auch in der Union gibt es neben weiterer Zustimmung für Spahn auch deutlichen Widerspruch.
Jede Fraktion darf Kandidaten vorschlagen
In den verschiedenen fachpolitischen Ausschüssen im Bundestag wird die Sacharbeit an den Gesetzen geleistet. Jede Bundestagsfraktion hat das Recht, entsprechend ihrer Größe für eine bestimmte Anzahl an Ausschüssen Vorsitzkandidaten vorzuschlagen. Die Kandidaten müssen jedoch mit Mehrheit von den Ausschussmitgliedern gewählt werden. Das haben die anderen Fraktionen in der vergangenen Legislaturperiode bei den AfD-Kandidaten jedoch nicht gemacht.
In der ersten Wahlperiode der AfD im Bundestag hatte es jedoch schon AfD-Ausschussvorsitzende gegeben. Peter Boehringer etwa saß von 2018 bis 2021 dem Haushaltsausschuss vor, Stephan Brandner bis zu seiner Abwahl 2019 dem Rechtsausschuss. Inzwischen ist die AfD aber nicht nur bedeutend größer, sondern auch radikaler. Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen mittlerweile als „gesichert rechtsextrem“ ein. Bundesweit ist sie seit 2021 rechtsextremer Verdachtsfall.
SPD, Grüne und Linke haben zuletzt angekündigt, die AfD erneut nicht auf Vorsitzposten wählen zu wollen – und den Vorstoß aus der Union scharf kritisiert. SPD-Chefin Saskia Esken sagte am Montagabend auf einer Parteiveranstaltung in Hannover: „Was Jens Spahn dort vorträgt, ist wirklich sehr, sehr empörend und gefährlich.“ Sie fügte hinzu: „Die AfD ist keine demokratische Partei.“
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte Reuters zu Spahns Vorwurf, die anderen Fraktionen hielten die AfD mit Tricksereien von den Vorsitzposten fern: „Wer mit Tricksereien argumentiert, stellt legitime demokratische Entscheidungen in Zweifel und übernimmt damit die Rhetorik derer, die unsere Institutionen und unser Land schwächen wollen.“

Die Grünen kritisieren die Vorstöße ebenfalls deutlich. „Die Union ist gefordert, ihr Verhältnis zur AfD unmissverständlich zu klären und sich von der extremen Rechten hart abzugrenzen“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, zu t-online.
„Die AfD ist eine mindestens in Teilen rechtsextreme Partei mit besten Verbindungen in die gewaltbereite rechtsextreme Szene und zu autokratischen Regimen, die unser Land bedrohen”, sagte Mihalic. Sie sei keine Oppositionspartei wie jede andere. „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie Jens Spahn oder andere Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion hier zu einer anderen Einschätzung kommen können oder all diese Tatsachen im Umgang mit der AfD einfach ausblenden wollen.“ Deutschland brauche „eine konservative Partei mit einer klaren Haltung, bei der man sich nicht ständig fragen muss, wo sie eigentlich steht“.