Der Bundestag reagiert auf das Karlsruher Haushaltsurteil und erklärt eine außergewöhnliche Notsituation. Die Schuldenbremse ist ausgesetzt und der Nachtragshaushalt 2023 beschlossen.
Der Bundestag hat am Freitag eine Ausnahme der Schuldenbremse für das Haushaltsjahr 2023 und den Nachtragshaushalt beschlossen. Damit reagiert das Parlament auf das Karlsruher Haushaltsurteil und sichert bereits aufgenommene Kredite nachträglich rechtlich ab.
Die geplante Neuverschuldung liegt damit bei 70,6 Milliarden Euro – 44,8 Milliarden Euro über der zulässigen Kreditaufnahme. Der Bundestag setzte die Schuldenbremse dafür zum vierten Mal in Folge aus. Außerdem hebt die Bundesregierung den CO₂-Preis an. Mehr Informationen dazu lesen Sie hier.
Die Union äußerte zuvor verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den Nachtragshaushalt der Ampel-Regierung für das laufende Jahr. In Teilen des Etats werde noch immer eine falsche Buchungssystematik angewendet, sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) im Bundestag. „Und deswegen bleiben verfassungsrechtliche Bedenken auch an ihrem Nachtragshaushalt heute.“
Der Nachtragshaushalt soll heute beschlossen werden. Auch der Bundesrechnungshof hält ihn für verfassungswidrig. Dabei geht es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt Kredite auf die Schuldenbremse angerechnet werden: Wenn sie genehmigt oder wenn sie tatsächlich aufgenommen werden.
„Das ist kein guter Kompromiss“
CDU-Politiker Middelberg ließ ebenfalls kein gutes Haar an der Einigung der Ampel-Koalition für das Haushaltsjahr 2024. „Das ist kein guter Kompromiss für dieses Land. Es ist eher der Versuch, den Riss in ihrer Ampel zu kitten“, sagte er. Die Einigung sei ein Rettungspaket für die Ampel-Regierung. „Mehr ist es leider nicht.“
Hauptbestandteil seien „massive Steuer- und Abgabeerhöhungen“. Middelberg forderte unter anderem, das im Koalitionsvertrag festgehaltene Klimageld einzuführen. „Das wäre nämlich auch der entscheidende Schritt eines sozialen Ausgleichs gewesen“, sagte er. Die Ampel-Koalition hatte das Klimageld als Sozialausgleich für steigende Klimaschutz-Belastungen der Bürgerinnen und Bürger vorgesehen, noch ist es aber nicht umgesetzt.
Koalition verteidigt Nachtragshaushalt
Die Fraktionen der Ampel-Regierung haben den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr und den Kompromiss zum Etat 2024 indes verteidigt. „Mit dem Nachtragshaushalt setzen wir jetzt für 2023 das Urteil des Bundesverfassungsgerichts um“, sagte der Grüne Sven-Christian Kindler, Leiter der AG Haushalt, im Bundestag. FDP-Haushälter Otto Fricke sagte: „Das ist eine Haushaltspolitik, so wie sie dann auch sein soll.“ Mit Blick auf den Haushalt 2024 sprach er von einem vernünftigen Kompromiss der Koalition.
Der Nachtragshaushalt ist eine Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Das höchste deutsche Gericht hatte entschieden, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen darf. Genau das hatte die Ampel-Regierung bei den Energiepreisbremsen und den Fluthilfen aber gemacht. Nun will das Parlament den Etat auf rechtlich sichere Füße stellen.
Voraussetzung ist, dass das Parlament eine Notlage erklärt und somit die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse aussetzt. „Wenn auf dem europäischen Kontinent ein Krieg ist, wenn ein Mensch wie Wladimir Putin meint, seine Machtinteressen über die Integrität von Staaten stellen zu können auf dem europäischen Kontinent, dann ist das nie eine normale Situation“, argumentierte SPD-Haushälter Dennis Rohde.
Schuldenbremse: Reformkommission gefordert
Baden-Württembergs Finanzminister Daniel Bayaz (Grüne) und Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) machen sich indes für eine Reformkommission für die Schuldenbremse stark. Diese sollte mit Vertreterinnen und Vertretern aus Bund, Ländern und Wissenschaft besetzt sein, um die Schuldenbremse weiterzuentwickeln, schreiben die beiden Politiker in einem Gastbeitrag, der im „Tagesspiegel“ erschienen ist.
Die beiden Landespolitiker halten eine Investitionsregel im Rahmen der Schuldenbremse für einen denkbaren Teil einer möglichen Reform. „Damit wäre die Kreditfinanzierung zusätzlicher Investitionen beispielsweise mit Blick auf die Herausforderungen der Transformation möglich“, heißt es im Gastbeitrag. „Eine neue Ausnahme bei der Schuldenregel darf gerade nicht dazu führen, dass neuer Spielraum für konsumtive oder nicht zielgerichtete Ausgaben geschaffen wird, indem der Investitionsbegriff politisch aufgeladen wird.“