Kein guter Tag für Bundesjustizminister Marco Buschmann: Bei gleich zwei Gesetzen des FDP-Mannes senken die Länder in der letzten Sitzung des Jahres den Daumen. Viele andere Vorhaben segnen sie dagegen ab.
Der Bundesrat hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) gleich doppelt die rote Karte gezeigt und zwei Gesetze aus seinem Haus in den Vermittlungsausschuss geschickt. Nun muss in diesem Gremium von Bundesrat und Bundestag ein Kompromiss gefunden werden.
Es geht um das Gesetz zur digitalen Dokumentation von Strafprozessen und um das Gesetz zum verstärkten Einsatz von Videokonferenztechnik in Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichten. Für 24 aus dem Bundestag gekommene Beschlüsse gab die Länderkammer dagegen grünes Licht – auch für den Nachtragshaushalt 2024, der am Vormittag erst vom Parlament beschlossen worden war.
Zum Auftakt seiner Sitzung gedachte der Bundesrat mit einer Schweigeminute der von den Nationalsozialisten ermordeten Roma, Sinti und Jenischen. „Ein würdiges Gedenken an das Leid der früheren Generation ist die Grundlage für ein gutes, gleichberechtigtes Zusammenleben auch heute“, sagte Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns.
Einsatz von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit
Dieses Gesetz zeuge von „Misstrauen gegenüber Richterinnen und Richtern“, kritisierte Hessens Justizminister, Roman Poseck, in der Länderkammer. Vor allem zwei Aspekte störten den CDU-Politiker: dass eine Verhandlung per Video bereits auf Antrag eines einzelnen Beteiligten durchgeführt werden solle und dass ein Richter es ausführlich begründen müsse, wenn er eine Video-Verhandlung ablehnt. Zudem bedeute die schriftliche Begründung einer solchen Ablehnung einen nicht unerheblichen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. „Man hat den Eindruck, dass immer das Gegenteil von dem getan wird, was die Gerichtspraxis für sinnvoll hält“, kritisierte Poseck.
Digitale Dokumentation von Strafprozessen
Auch hier verwiesen die Länder auf die einhellig ablehnende Kritik aus den Reihen der Justiz. Sie zeigten grundlegende fachliche Bedenken und warnten vor der Gefahr für die Wahrheitsfindung und für die Beeinträchtigung des Opferschutzes. Kritisch gesehen wurde auch das Verhältnis des personellen, technischen, organisatorischen und finanziellen Aufwandes zum Mehrwert, den eine digitale Dokumentation bringen könnte. Die Dokumentation soll nach den Vorstellungen des Bundesjustizministeriums durch eine Tonaufzeichnung erfolgen, die automatisiert in ein elektronisches Textdokument übertragen wird.
Wärmeplanung der Kommunen
Auch zum Gesetz zur Wärmeplanung wurde beantragt, den Vermittlungsausschuss anzurufen – und zwar von Bayern, das dafür aber keine Mehrheit erhielt. Damit kann das Gesetz zusammen mit dem Heizungsgesetz der Bundesregierung am 1. Januar 2024 in Kraft treten. In einem Entschließungsantrag forderten die Länder mehr Geld vom Bund für diese Aufgabe. Großstädte sollen bis Ende Juni 2026, kleinere Städte und Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern bis Ende Juni 2028 Wärmepläne erstellen. Erst wenn eine Kommune einen Wärmeplan hat, müssen Hauseigentümer beim Einbau einer neuen Heizung darauf achten, dass diese mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben wird. Das neue Heizungsgesetz gilt zunächst für Neubauten innerhalb von Neubaugebieten.
Bessere Klimaanpassung
Das Gesetz zur besseren Klimaanpassung kann nach der Zustimmung des Bundesrats wie geplant im kommenden Jahr in Kraft treten. Vorgesehen ist, Bund, Ländern und Kommunen verbindliche Strategien und Maßnahmen vorzuschreiben. Damit werde erstmals ein strategischer Rahmen für eine vorsorgende Klimaanpassung auf allen Verwaltungsebenen in Deutschland geschaffen, heißt es im Gesetz. Konkret verpflichtet sich die Bundesregierung, eine Anpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorzulegen. Ein kritischer Punkt ist die Finanzierung – das Gesetz enthält dazu keine konkreten Regelungen.
Neuregelung der Organspende
Die Länder dringen angesichts der niedrigen Zahlen von Organspenden auf eine grundlegende Änderung der rechtlichen Regeln. Anstelle der geltenden erweiterten Zustimmungslösung solle eine Widerspruchslösung treten, heißt es in einer angenommenen Entschließung. Damit wäre für die Organentnahme nicht mehr die Zustimmung des Betroffenen oder eines engen Angehörigen beziehungsweise eines Bevollmächtigten erforderlich. Vielmehr gälte grundsätzlich jeder Mensch als Organspender, es sei denn, er hat dem zu Lebzeiten widersprochen, oder einer der nächsten Angehörigen macht dies nach seinem Tod. In der Entschließ wird die Bundesregierung aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diese Widerspruchslösung in das Transplantationsgesetz aufgenommen wird.
Erweiterung der EU um Ukraine und andere Staaten
Die Länderkammer stellte sich hinter die Aufnahmeverhandlungen der EU mit der Ukraine, der Republik Moldau und Staaten des Westbalkans. „Angesichts der globalen Entwicklungen liegt die Erweiterung im geopolitischen Eigeninteresse der Europäischen Union“, heißt es in einer angenommenen Stellungnahme. „Die bisherigen Erweiterungen, das zeigt die Geschichte, haben die Europäische Union stärker gemacht“, sagte Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD). Hessens Bundes- und Europaministerin Lucia Puttrich (CDU) betonte, der EU-Beitritt sei längst nicht mehr nur mit ökonomischen Motiven zu begründen. „Es ist der Beitritt zu einer Wertefamilie. Zu einer Familie, die Sicherheit, Wohlstand und Frieden verspricht.“