Das deutsche Bildungssystem wächst: mehr Geld, mehr Personal, mehr Einrichtungen, doch die Herausforderungen wachsen auch. Und Zehntausende bleiben jedes Jahr ohne Schulabschluss, wie ein Bericht zeigt.

Von der Kita bis zur Uni – das deutsche Bildungssystem „arbeitet am Anschlag“: Dieses alarmierende Fazit zog ein Team aus Bildungswissenschaftlern, Jugendforschern und Statistikern bei der Vorlage des alle zwei Jahre erscheinenden Nationalen Bildungsberichts. Der mehrere hundert Seiten umfassende Bericht beschreibt den Zustand des Bildungssystems und die Probleme, vor denen Bildungseinrichtungen stehen. Er soll Handlungsgrundlage für die Bildungspolitik sein.

Das Bildungssystem wurde demnach in den vergangenen Jahren immer mehr ausgebaut, zum Beispiel im Bereich Kita. Es gab deutliche Personalzuwächse und mehr Geld – doch mit den wachsenden Anforderungen hält das nicht Schritt. Anhaltend viele junge Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss. Die in Berlin präsentierten Ergebnisse im Einzelnen:

2022 verließen 52.300 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Der Anteil der Gleichaltrigen, die keinen Schulabschluss schafften, stieg demnach auf 6,9 Prozent. Im Vorjahr lag er nach Daten des Statistischen Bundesamtes bei 6,2 Prozent (47.500) und 2020 dem Bildungsbericht zufolge bei 5,9 Prozent. Die Zahl der eigentlichen Abbrecher dürfte noch höher liegen, da Jugendliche, die während eines Schuljahrs die Schule verlassen, nicht mitgezählt werden. Im Zeitverlauf wird deutlich, dass es sich um ein dauerhaftes Problem handelt: So lag der Anteil der Jugendlichen ohne Abschluss im Jahr 2006 bei 8 Prozent (mehr als 75.000 Betroffene) ging dann bis 2013 auf 5,7 Prozent zurück und steigt seitdem – mit Unterbrechung der Corona-Jahre – wieder an.

Die Bildungsausgaben im Land sind in den vergangenen zehn Jahren um 46 Prozent auf 264 Milliarden Euro im Jahr 2022 gestiegen. Ein deutliches Plus. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, sei der Anteil der Bildungsausgaben seit 2012 aber nur um 0,2 Prozentpunkte gestiegen, heißt es kritisch – zumal auch der finanzielle Bedarf steigt, denn die Zahl der Bildungseinrichtungen ist gewachsen, die Zahl der Beschäftigten und auch die der Bildungsteilnehmer. Knapp 18 Millionen Menschen waren 2022 in einer Bildungseinrichtung, gut eine Million mehr als vor zehn Jahren.

Die zum Teil sehr angespannte Situation bei der Rekrutierung von Fachpersonal bleibe eine Herausforderung für nahezu alle Bildungsbereiche, heißt es im Bericht. In den Schulen zeigt sich das den Autoren zufolge zum Beispiel daran, dass verstärkt auf Quereinsteiger gesetzt wird. Demnach hatten von 35.000 im vergangenen Jahr neu eingestellten Lehrkräften zwölf Prozent keine klassische Lehramtsausbildung. Der Bericht zählte für das Jahr 2022 insgesamt 2,7 Millionen Menschen, die in Kitas, Schulen und Hochschulen beschäftigt waren. Die Forscher gehen davon aus, dass die Bevölkerungszahl durch Zuwanderung weiter wächst, was „mittelfristig in sämtlichen Bildungsbereichen“ zu einer erhöhten Nachfrage nach Bildung führen werde – entsprechend wird auch mehr Personal gebraucht.

Die Zahl der Kitas ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gewachsen. 2023 gab es mehr als 56.000 Einrichtungen im Land, ein Höchststand – 10.000 Kitas mehr als noch 2006. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre stieg die Zahl der pädagogischen Kita-Fachkräfte dem Bericht zufolge von 458.000 auf mehr als 700.000. Im Osten könne der Personalbedarf weitgehend gedeckt werden, im Westen knirsche es aber noch immer, hieß es. Trotz gestiegener Zahl an Kita-Plätzen, bestehe die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage weiter, da der Bedarf an Betreuungsplätzen Umfragen zufolge mitwachse.

Die „Akademisierung stagniert“, heißt es im Bericht. Der über viele Jahrzehnte zu beobachtende Akademisierungsprozess – also dass immer mehr junge Menschen studieren – sei vorerst zum Stillstand gekommen. Die Nachfrage nach Hochschulbildung stagniere seit einiger Zeit. Es gebe sogar Anzeichen für ein Nachlassen, obwohl die Nachfrage zum Beispiel nach Naturwissenschaftlern, Informatikern und Ingenieuren schon jetzt nicht mehr ganz gedeckt werden könne.

Bildungserfolg hängt in Deutschland stark von der sozialen Herkunft ab, soweit so bekannt. In ihrem Bericht verweisen die Forscher hier auch auf einzelne Aspekte im Zusammenhang mit Zuwanderung. Je älter Menschen sind, wenn sie nach Deutschland kommen, desto schlechter sind ihre Chancen auf Bildungserfolg. Rund die Hälfte jener, die im Alter von 14 bis 18 Jahren nach Deutschland gezogen sind, hat weder einen Berufsabschluss noch die Hochschulreife. Bei jenen, die als Kleinkinder zugezogen sind, ist nur ein Viertel gering qualifiziert.

Mit Blick auf Unterschiede im Bildungserfolg und schlechte Mathe- und Deutschleistungen empfehlen die Bildungsforscher mehr Bemühungen und eine stärkere Förderung schon im Vorschulalter, denn Unterschiede entstünden nicht erst in der Schule, wo sie später etwa bei Pisa oder anderen Vergleichstests festgestellt werden, sondern deutlich früher. Vor diesem Hintergrund wird in dem Bericht eine Uneinheitlichkeit in den Ländern bei Sprachstand-Tests im Vorschulalter kritisiert: Während in sieben Ländern alle Kinder vor der Einschulung mit unterschiedlichen Erhebungsverfahren getestet würden, führten weitere sieben Länder solche Erhebungen nur bei bestimmten Gruppen durch, und in zwei Ländern werde keine landesweite Diagnostik vorgenommen.

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