Die schwarz-rote Koalition in Berlin ringt um eine Verwaltungsreform. Das SPD-Vorzeigeprojekt Schulessen macht Probleme. Busse und Bahnen fahren nicht, wie sie sollten. SPD-Fraktionschef Read Saleh fordert Lösungen vom Senat.
t-online: Herr Saleh, wann sind Sie zuletzt mit der BVG in der Stadt unterwegs gewesen?
Raed Saleh: Ich bin erst gestern wieder mit dem Bus gefahren. Sie sprechen ein Thema an, das viele Berliner und auch mich bewegt. Ich sage es in aller Klarheit: Ich erwarte, dass sich der Senat mit allem Nachdruck um eine funktionierende Mobilität kümmert. Und ich erwarte, dass die BVG und die S-Bahn zeitnah ein gemeinsames Konzept präsentieren, wie sie diese Lebensader der Stadt garantieren wollen. Die Versäumnisse der letzten Wochen akzeptieren wir nicht.
Was genau erwarten Sie vom Senat?
Wir erwarten von der Verkehrssenatorin und den verantwortlichen Chefetagen der Betriebe, dass bei ihnen Tag und Nacht das Licht brennt und dass sie ihre Hausaufgaben machen. Sie müssen die Situation wieder in Ordnung bringen. Wir werden als Fraktion in Kürze eine Einladung zu einem Gespräch an die Chefs der BVG und der S-Bahn aussprechen, damit sie uns gemeinsam die Situation aus ihrer Sicht schildern können. Vom Senat erwarten wir, dass er die Schwachstellen analysiert und behebt. Wir dürfen uns gar nicht erst an die Situation gewöhnen. Die Berliner sind zu Recht sauer.
Auch bei Ihrem Herzensthema gibt es aktuell Probleme. Das kostenlose Schulessen für etwa 50.000 Kinder wurde oft zu spät oder gar nicht geliefert – oder es war ungenießbar. Schulen aus mehreren Bezirken haben die Zusammenarbeit beendet.
Es ist das Versprechen unserer Fraktion, Familien in Berlin zu entlasten. Die Gebührenfreiheit in der Bildung ist ein wesentlicher Baustein. Ob in Kita, Hort, bei Bus und Bahn oder beim Schulessen. Die Probleme bei der Essensauslieferung durch den Caterer sind schnellstmöglich zu beheben.
Wie könnte denn eine Lösung aussehen?
Es gibt verschiedene Konzepte, die ich nicht bewerten will. Auch dieses Problem muss der Senat lösen. Wichtig ist nur, dass aus den Fehlern gelernt wird. Die Bildungsverwaltung ist jetzt in der Pflicht, mit der kürzlich gegründeten Taskforce Ergebnisse zu liefern. Es darf nicht mehr dazu kommen, dass man so abhängig ist von einem einzigen Caterer.
Und was halten Sie von einem landeseigenen Cateringunternehmen?
Ich bin immer für einen starken Staat. Aber ob ein landeseigenes Unternehmen an dieser Stelle eine Lösung ist, glaube ich nicht.
Alles wirkt gerade wie ein unkoordiniertes und unprofessionelles Kuddelmuddel.
Raed saleh
Die Lösung muss sein, die Aufgaben klar zu definieren. Aktuell hat jeder Bezirk seine eigenen Verträge mit dem Essenslieferanten. Deshalb erleben wir ein Pingpong-Spiel: Die Bezirke schimpfen in Richtung Senat, und der Senat schimpft in Richtung der Bezirke. Alles wirkt gerade wie ein unkoordiniertes und unprofessionelles Kuddelmuddel. Deshalb brauchen wir eine Neuordnung der Verantwortungen zwischen dem Land und den Bezirken.
Genau das soll die vom Senat geplante Verwaltungsreform erreichen. Wie sollte das Verhältnis zwischen dem Senat und den Bezirken ihrer Meinung nach genau geregelt sein, um Berlins Verwaltung wieder flottzumachen?
Ein Klagerecht in politischen Fragen seitens der Bezirke sehen viele Verwaltungsexperten kritisch. Das hätte zur Folge, dass gegen jedes Senatsvorhaben geklagt wird. Das hätte wiederum für große Projekte wie Bauvorhaben gravierende Konsequenzen. Das Ergebnis wäre jahrelanger Stillstand. Wir wollen jedoch die Prozesse beschleunigen.
Aber sollte man nicht gerade die Bezirke stärken? Schließlich sind sie es, die am Ende mit den Konsequenzen politischer Entscheidungen leben müssen.
Es liegt natürlich auf der Hand, dass es unterschiedliche Interessen gibt. Aber wir wollen bei der Diskussion politischer Vorhaben in Berlin nicht permanent Schleifen drehen und Verantwortungen hin und her schieben. Das sehen mittlerweile auch einige Bezirke so.
Besser wäre es wohl, wenn die Verwaltungsreform in der Berliner Verfassung festgeschrieben wäre. Dafür benötigt man aber Stimmen aus der Opposition. Von den Grünen bekommen sie die nicht. Die sind eher auf der Seite der Bezirke. Was ist die Lösung?
Beim Thema Verwaltungsreform ist ein breiter politischer Konsens wünschenswert. Natürlich wäre eine Verwaltungsreform mit einer verfassungsändernden Mehrheit stabiler. Das wäre auch für mich der Idealfall. Aber nicht um jeden Preis. Die Verwaltungsexperten sagen mir: Die Verwaltungsreform ist auch ohne eine Verfassungsänderung möglich. Wichtig ist, dass eine Reform das Land Berlin nachhaltig stärkt und Prozesse effizienter macht. Vorhaben wie die Einführung eines Veto- und Klagerechts für die Bezirke weisen in die komplett andere Richtung und würden eine Lähmung der Verwaltungsprozesse bedeuten. Als SPD-Fraktion stehen wir für eine Reform, die Berlins Verwaltung schneller und besser für die Berlinerinnen und Berliner macht. Die Fraktionen der demokratischen Opposition sind eingeladen, diesen Prozess mitzugehen.
Herr Saleh, vielen Dank für das Gespräch.