Ich hoffe sehr, dass er bleibt. Aber ich weiß auch, dass ihn die Abläufe im vergangenen Sommer unangenehm berührt haben. Es wurde mehrfach unwidersprochen berichtet, dass er auf der imaginären Bayern-Verkaufsliste stand. Ich empfand dies sehr irritierend, weil Jo für mich ein klassischer Bayern-Vorzeigeprofi ist. Er hat immer konstant stark abgeliefert, ist ein absoluter Top-Profi und der Typ Anführer, den ein Erfolgsteam braucht. Dass Bayern ihn damals nicht vorbehaltlos gestärkt hat, hat ihn getroffen.
Nach der 50-Millionen-Verpflichtung von João Palhinha wurde immer diskutiert: Wer spielt neben Palhinha? Ich habe damals schon festgestellt: Die richtige Frage lautet, wer neben Joshua Kimmich spielt. Das hat Vincent Kompany dann ja auch deutlich so bewertet. Kimmich ist eine ganz zentrale Personalie bei Bayern. Eines ist aber auch klar.
Dass internationale Top-Vereine großes Interesse an seiner Verpflichtung besitzen. Das weiß ich sicher. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass Jo am Ende trotzdem in München bleibt und dies wäre auch aus meiner Sicht gut für ihn und die Bayern. Einfach wird das aber sicher nicht. Fakt ist: Wenn Kimmich gehen würde, muss Bayern ihn ersetzen. Egal, wie teuer eine Verlängerung von Kimmich wäre, der Kauf eines vergleichbaren Spielers würde ungleich teurer sein. Und einen deutschsprachigen Spieler mit Jos Paket, seiner Identifikation für den Klub zu finden, ist unmöglich.
Wann erwarten Sie eine Entscheidung?
Ich glaube nicht, dass Bayern und er sich bis Mai Zeit lassen werden. Als Spieler willst du auch irgendwann Sicherheit haben. Joshua ist nicht der Typ, der ellenlang am Vertrags-Pokertisch sitzen möchte. Ich glaube, dass es spätestens Anfang oder Mitte April eine Entscheidung geben wird.
Kann der 19 Jahre alte Tom Bischof, der im Sommer von Hoffenheim zu Bayern kommt, der nächste Kimmich werden?
Tom macht das wirklich gut in Hoffenheim – seine Spielintelligenz und seine Scorerpunkte sprechen für sich. Aber ich würde dringend davor warnen, ihn jetzt schon mit Kimmich zu vergleichen. Diesen Rucksack sollte man dem Jungen nicht auf die Schultern laden. Ihn zu verpflichten, ist eine sehr sinnvolle Entscheidung. Die wichtigste Frage lautet jetzt: Was ist für seine Entwicklung das Beste? Direkt zu den Bayern oder doch eine Leihe? Wenn sich an der aktuellen Konstellation im Mittelfeld wenig oder nichts ändert, wird es schwer für ihn, wichtige Spielpraxis beim FCB zu bekommen. Die Konkurrenz bei Bayern ist halt sehr mächtig.
Ist Mathys Tel da ein warnendes Beispiel für junge Toptalente?
Zu meiner Zeit bei Bayern haben wir damals drei sehr junge Spieler verpflichtet und sie unterschiedlich gelenkt. Joshua Kimmich und Kingsley Coman wurden direkt mit einem klaren Rollenverständnis in das Team integriert. Das hat bei beiden sehr gut funktioniert. Serge Gnabry haben wir zunächst an Bremen und dann an Hoffenheim verliehen, weil wir die Gesamtkonstellation im Kader berücksichtigen mussten, und dies war für Serge die beste Entscheidung. Oftmals trauen sich junge Spieler unrealistisch viel zu, und das ist dann ein Fehler.
Gilt das auch für Tel, der nun für ein halbes Jahr an Tottenham verliehen wurde?
Spätestens mit der Verpflichtung von Harry Kane hätte ich ihm empfohlen: Junge, lass dich ausleihen. Kane spielt immer und frisst 95 Prozent der Nettospielzeit auf seiner Position. Auch bei den anderen offensiven Positionen war beim FCB ein hohes Konkurrenzpotential. Und wenn man in zehn Spiele in Folge kaum spielt und dann nahezu ohne Spielpraxis plötzlich ein Kane-Double sein soll, funktioniert dies in der Regel nicht.
In diesem Sommer blieb der angekündigte Umbruch beim FC Bayern dann doch aus. Erwarten Sie diesen Cut nun nach dieser Saison?
Bayern hat nach wie vor sehr viele gute Spieler unter Vertrag. Das war schon letzte Saison so. Wenn ich ganz ehrlich bin, hat mich diese ganze Umbruchdiskussion verwundert, weil ich den vorhandenen Kader stark gesehen habe. Von den ganzen Neuzugängen ist ja bislang auch nur Michael Olise Stammspieler geworden. Wichtig war es, die vorhandenen Spieler an ihr Leistungsoptimum zu führen und die Mannschaftsleistung zu verbessern. Und genau dies ist Vincent Kompany bestens gelungen. Falls natürlich einige langjährige Stammspieler den Verein verlassen sollten, käme ein Umbruch logischerweise. Siehe die Personalie Kimmich.