Merkels Memoiren

Bardame und bunte Blazer – der Mensch Angela Merkel

Aktualisiert am 26.11.2024 – 00:15 UhrLesedauer: 6 Min.

Anders als zu ihrer 16 Jahre langen Amtszeit lässt Merkel an einigen Stellen des Buches Blicke hinter die Kulissen der Politik zu. (Archivfoto) (Quelle: Hendrik Schmidt/dpa/dpa-bilder)

Ihr Privatleben hat die frühere Kanzlerin Angela Merkel immer privat gelassen. In ihren Memoiren gibt sie einige Einblicke, die bislang kaum bekannt sind.

Bouletten, Bärenfleisch und ein paar starke Männer. Wer durch die rund 740 Seiten der Memoiren von Ex-Kanzlerin Angela Merkel blättert, findet neben ihrem politischen Vermächtnis kleine Details, die den Menschen Merkel sichtbar machen. Deutlich wird etwa auch, welche zentrale Rolle ihre Vertraute und Co-Autorin Beate Baumann im politischen Leben der 70-Jährigen spielt. Am Dienstagabend will die frühere CDU-Vorsitzende ihr Buch mit dem Titel „Freiheit. Erinnerungen 1954 – 2021“ im Deutschen Theater in Berlin vorstellen – moderiert von der Journalistin Anne Will.

Ein paar private Dinge aus dem Leben von Angela Merkel:

Merkel bezeichnet sich zwar selbst so. Aber nein, eine anrüchige Vergangenheit hat sie bislang nicht verborgen. Sie erzählt vielmehr, wie ihre Seminargruppe beim Physikstudium in Leipzig begann, ein- bis zweimal in der Woche in den Fluren der Hochschule eine Disco zu organisieren. „Für den Verkauf der Getränke war ich zuständig, ich arbeitete also in gewisser Weise als Bardame. Das machte mir viel Freude und brachte auch noch etwas zusätzliches Geld ein.“

Eigentlich war es nur eine leere Wohnung, aber die besetzte Merkel tatsächlich. Und das kam so: Im Frühjahr 1981 trennte sie sich von ihrem ersten Ehemann Ulrich Merkel und zog zunächst bei einer Kollegin ein. Eines Tages habe ihr ein Bekannter den Tipp gegeben, dass in der Templiner Straße in Berlin eine Wohnung unbewohnt sei. „Freunde redeten mir zu, diese Wohnung zu besetzen. Das fiel mir alles andere als leicht, aber ich hatte keine Wahl; ich konnte nicht unendlich lange bei meiner Kollegin wohnen und musste etwas tun.“ Luxuriös hatte es die spätere Kanzlerin nicht. „Meine Möbel holte ich mir im Wesentlichen vom Sperrmüll und strich sie ein wenig an. Ich schlief auf Holzpaletten, auf die ich eine Matratze legte. Das Wohnniveau war überaus bescheiden, trotzdem fühlte ich mich wohl.“

Merkel erkundigte sich bei Nachbarn, wie viel diese an Miete zahlten. Genau diesen Betrag überwies sie dann der Kommunalen Wohnungsverwaltung. „Niemand verweigerte die Annahme des Geldes.“ Schnell versuchte sie, ihr illegales Mietverhältnis zu legalisieren – was sich als nicht ganz einfach herausstellte, aber schließlich auf Umwegen gelang.

Über ihren zweiten Ehemann schreibt Merkel: „Wir liebten und lieben beide die Natur und das Reisen. Über ihn lernte ich die Musik von Richard Wagner erst richtig kennen und verstehen.“ Der Zeitpunkt ihrer Hochzeit hatte dabei auch einen politischen Aspekt, wie im Buch deutlich wird: „In konservativen Kreisen meiner Partei hatte es seit 1990 immer wieder Kritik daran gegeben, dass ich als geschiedene Frau in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft lebte. Da ich jeden Eindruck vermeiden wollte, dass ich aus Karrieregründen heiratete, hatten Joachim und ich mit diesem Schritt gewartet, bis die CDU in der Opposition war.“ Nach der Bundestagswahl 1998 sei es so weit gewesen. „Am 30. Dezember 1998 heirateten wir.“

Über ihren Ehemann schreibt Ex-Kanzlerin Angela Merkel in ihren Memoiren: „Wir liebten und lieben beide die Natur und das Reisen. Über ihn lernte ich die Musik von Richard Wagner erst richtig kennen und verstehen.“ (Archivfoto) (Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/dpa-tmn/dpa-bilder)

Ihren ersten Tag als Kanzlerin ließ Merkel am 22. November 2005 in einer Runde ausklingen, für die bei der Kanzlerküche Würstchen, Kartoffel- und Krautsalat, Bouletten und Getränke bestellt worden waren. Und auch nach dem Großen Zapfenstreich am 2. Dezember 2021 zu ihrem Abschied traf sich wieder eine Runde im Kanzleramt: „Wie sechzehn Jahre zuvor gab es Würstchen, Bouletten und Kartoffelsalat“, schreibt Merkel. „Ein Kreis schloss sich.“

Als Kanzlerin aller Deutschen „musste ich alles geben, jederzeit verfügbar und erreichbar sein, auch Brandherde austreten, bevor sie sich zu einem Feuersturm entwickelten“, erinnert sich Merkel. Es habe aber jeden Tag auch mehr als genug Momente zum Kraftschöpfen gegeben. „An Tagen nach Auslandsreisen mit Jetlag oder nach Nachtsitzungen war es wunderbar, eine Hühner-, Kartoffel- oder Linsensuppe zu essen.“

Im Zusammenhang mit deutsch-russischen Regierungskonsultationen im April 2006 im sibirischen Tomsk beschreibt Merkel nicht nur den Traum, mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok zu reisen, den Wunsch, mit einem Boot über einen der großen sibirischen Flüsse zu fahren oder die Deutschkenntnisse von Russlands Präsident Wladimir Putin („Sein Deutsch war besser als mein Russisch.“) „Beim Essen konnte ich zwischen einem klassischen Steak und einem vom Braunbären auswählen und entschied mich für das Abenteuer“, berichtet die Altkanzlerin. Das Bärenfleisch habe „sehr gut, kräftig und wie Wild“ geschmeckt.

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