Den Koalitionsbruch hat die Ampel beim „Sicherheitspaket“ vermeiden können. Doch statt der eigenen Leute begehren nun die Bundesländer auf.

Der Aufstand endet um 12.15 Uhr. Da verkündet Petra Pau, die Vizepräsidentin des Bundestages, was der Kanzler die vergangenen Tage ersehnt und die Kritiker befürchtet hatten: Das „Sicherheitspaket“ der Ampel bekommt eine Mehrheit im Bundestag. Dublin-Flüchtlingen kann künftig das Geld gestrichen und Messer können auf Volksfesten verboten werden.

Ach so, und die Ampelregierung, die gibt es auch noch.

Das ist an diesem Freitag tatsächlich eine Erwähnung wert, denn so klar war das in dieser Woche nicht. Es lag Koalitionsbruch in der Luft, zumindest ein bisschen, mehr jedenfalls, als man es von der Ampel ohnehin gewohnt ist.

Der Kanzler, Olaf Scholz, hatte in seiner SPD-Fraktion persönlich Druck gemacht für die Zustimmung zum „Sicherheitspaket“, hatte indirekt mit der Vertrauensfrage gedroht, so jedenfalls verstanden ihn einige Abgeordnete. Die Vertrauensfrage braucht es am Ende nicht. Zumindest dieses Mal.

Jubelstimmung aber will auch nicht aufkommen. Und das liegt auch daran, dass der Bundesrat eineinhalb Stunden später einen Teil des „Sicherheitspakets“ vorläufig stoppt. Was aus den geplanten neuen Befugnissen der Sicherheitsbehörden wird? Völlig unklar.

Der Kanzler bekommt schon seinen kleinen Triumph am Mittag im Bundestag gar nicht mehr persönlich mit. Als das Ergebnis verkündet wird, ist Olaf Scholz schon mit Joe Biden beschäftigt. Der US-Präsident ist mittags zu ihm ins Kanzleramt gekommen. Große weite Welt statt kleines Gerangel in der Koalition.

Olaf Scholz: Der Bundeskanzler gibt seine Stimme ab. (Quelle: Joerg Carstensen/dpa/dpa-bilder)

Wobei das Gerangel eben so klein nicht war. In der Fraktionssitzung der Grünen hatte die Spitze am Dienstag verkündet, dass 40 ihrer Parlamentarier ablehnen wollten oder zumindest noch skeptisch seien. Bei der SPD hoben an diesem Tag intern bis zu 30 Abgeordnete nicht ihre Hand für das Paket.

„Das Gesetz braucht eine eigene Mehrheit, sonst muss ich von meinen Möglichkeiten Gebrauch machen“, drohte Scholz seinen eigenen Leuten in der SPD-internen Debatte. Und der Kampf um die Abweichler im Bundestag begann damit erst.

Bei den Grünen initiierte die Basis einen offenen Brief, in dem sie ihre Leute zum Widerstand gegen das Paket aufrief. Mehr als 1.000 Unterschriften standen darunter, als die Grünen-Abgeordneten am Freitag ihre Stimmen im Bundestag abgaben.

Andere Grüne machten in der Fraktion mit Warnungen vor dem Koalitionsbruch Druck. Mitunter kreativ. In einer internen Nachricht erinnerte eine Grüne an die Weimarer Republik, an die letzte Große Koalition dort, die an der Beitragserhöhung der Arbeitslosenversicherung geplatzt sei. Und, nun ja, dann kam Hitler. Am frühen Freitagmorgen mussten die Grünen dann noch zur Sondersitzung antreten. Ein letztes Einschwören auf Zustimmung, kurz vor knapp.

Bei der SPD setzte sich Juso-Chef Philipp Türmer an die Spitze der Widerständler und Kanzlerkritiker. Per Interview im „Stern“ rief er den SPD-Abgeordneten zu: „Ich erwarte, dass möglichst viele SPD-Abgeordnete dem Sicherheitspaket in dieser Form nicht zustimmen.“ Vom Kanzler und seiner Drohung solle sich niemand einschüchtern lassen. Das mit der Vertrauensfrage sei schon einem anderen SPD-Kanzler auf die Füße gefallen – Gerhard Schröder.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ließ anschließend jeden Kritiker in der Fraktion persönlich vorsprechen. Sicher ist sicher, falls das Kanzlerwort nicht ausreicht.

Doch im Bundestag reicht es am Freitag für die Ampel, deutlich sogar. Die Mehrheiten für die beiden Gesetze des Pakets sind größer als von manchem erwartet. Der Druck – er hat bei dem einen oder anderen Koalitionär offenbar gewirkt.

Um kurz vor 14 Uhr aber blinken auf den Handys der Abgeordneten im Bundestag die Eilmeldungen auf: „Bundesrat lehnt Ampel-Sicherheitspaket teilweise ab“. Statt der eigenen Abgeordneten begehren die Länder auf.

Das Paket besteht aus zwei Gesetzen: Das mit den Asylverschärfungen und den Messerverboten lässt die Länderkammer passieren. Das mit den neuen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden nicht, also vor allem die digitale Erkennung von Gesichtern und Stimmen.

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