Vor Gericht fragen die Anwälte der AfD nach V-Leuten und verdeckten Ermittlern des Verfassungsschutzes in den Reihen der Partei. Und sie wollen einen prominenten Zeugen aufrufen.
Wie viele „Spitzel“, verdeckte Ermittler, digitale Agenten des Verfassungsschutzes gibt es im Umfeld der AfD? An Tag zwei des Verfahrens der AfD gegen den Verfassungsschutz vor dem Oberverwaltungsgericht Münster versuchen die Anwälte der Partei intensiv, Informationen über die Arbeit des Inlandsnachrichtendienstes in der Partei ans Licht zu befördern. 210 Beweisanträge haben sie dazu bereits am Tag zuvor, dem ersten Prozesstag, angekündigt.
Für sie bringt das drei Vorteile: Erstens hoffen sie so den Vorwurf zu stärken, der Verfassungsschutz sorge selbst aus den Reihen der Partei verdeckt für Belege ihrer Verfassungsfeindlichkeit, die dann in die AfD-Gutachten der Behörde einfließen.
Dieser Vorwurf wird in der Partei immer wieder erhoben: Die AfD sei gar nicht so extrem, besonders auffällige Rechtsausleger nur sogenannte „Agents Provocateurs“ des Verfassungsschutzes. Der Inlandsnachrichtendienst sei also kein Staatsschutz, sondern im Gegenteil ein Scharfmacher in der Partei – um sie im nächsten Schritt aus dem Verkehr ziehen zu können.
Zweitens ist das Interesse in der AfD grundsätzlich groß, zu wissen, wie gut und weit der Verfassungsschutz präsent und vernetzt ist in der Partei. Ist der eigene Parteikollege womöglich ein V-Mann, ein Spitzel, ein bezahlter Informant? Die Sorge davor ist seit Jahren groß, die Paranoia grassiert, Verschwörungstheorien und Verleumdungen kursieren.
Drittens – und für die Anwälte vor Gericht wohl am wichtigsten – führt ihr Vorgehen zu immer neuen Beweisanträgen. Das frisst viel Zeit. Bei den angekündigten 210 Beweisanträgen kalkuliere man allein mit einer Vortragzeit von 25 Stunden, verkündeten die AfD-Anwälte am Dienstagabend. Am Mittwoch sprachen sie von „Wochen und Monaten“, die es für das Verfahren brauche.
Das würde eine erhebliche Verzögerung bedeuten. Und für die AfD: Viel Zeit, die ins Land streicht, bis final Rechtssicherheit darüber besteht, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz sie als rechtsextremistischer „Verdachtsfall“ führen darf. Und noch mehr Zeit, bis der Inlandsgeheimdienst die Partei wohl nach oben stufen würde auf die höchste Stufe, eine „gesichert rechtsextremistische“ Bestrebung. Die soll Medienberichten zufolge bereits in Arbeit sein.
Viele Fragen, wenig Antworten
Der Verfassungsschutz ist naturgemäß zugeknöpft, was Auskünfte über seine Quellen und verdeckten Ermittlungsstrategien angeht – und bleibt das trotz Dutzender Fragen auch vor dem Gericht in Münster. Zwei wesentliche Aussagen hat das Amt am Vorabend geliefert: „Nur zwei der einigen Tausend Belege“, die dem Gericht zur Verfassungsfeindlichkeit der Partei vorgelegt wurden, seien „Äußerungen oder Verhaltensweisen von menschlichen Quellen des Verfassungsschutzes“. Und: „Diese beiden Belege stammen weder von der Bundes- noch von der Landesebene und sind vor dem Jahr 2023 angefallen.“
Entlocken lässt sich den Vertretern des Verfassungsschutzes noch, dass es auf Ebene des Bundes- wie der Landesvorstände der AfD nicht nur keine V-Leute, sondern auch keine verdeckten Ermittler gebe. Auch Belege von „digitalen Agenten“, also Ermittlern, die im Netz unter falscher Identität unterwegs sind, oder von ihnen provozierte Aussagen seien nicht in die Verfassungsschutzgutachten sowie die Beweisführung vor Gericht eingeflossen.
Verfassungsschutz-Anwalt Wolfgang Roth bezeichnet die Fragen der AfD-Anwälte als Ablenkungsmanöver. Die Belege seien namentlich gekennzeichnet, sie stammten von Funktionären in den sozialen Medien, noch häufiger aus Reden von Parteitagen – „die sind nicht von Avataren gehalten worden“. Zudem kritisiert Roth erneut scharf „Prozessverschleppung“, also die Verzögerung des Verfahrens.
Die andere Seite weist das von sich – und kritisiert wiederum den Inlandsgeheimdienst scharf: Mindestens zwei Stellen seien also „kontaminiert“, sagt Rechtsanwalt Christian Conrad. Viel zu spät gebe der Verfassungsschutz diese Information preis, gefragt habe man dazu schließlich schon vor zwei Jahren vor dem Verwaltungsgericht in Köln. „Das ist nicht nur Salamitaktik, sondern rechtsstaatlich äußert bedenklich“, kritisiert Conrad.
Bestätigt sieht er seine Taktik: Vor dem Verwaltungsgericht soll noch einmal alles auf den Tisch, die Beweisführung vonseiten der AfD noch einmal neu aufgerollt werden. „Wir wollen sie nicht nerven“, sagt er an die Richter gerichtet. „Aber sie sind die letzte Instanz, wo wir den Sachverhalt aufklären können.“