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Ein Arzt ist vor dem Münchner Landgericht I wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung angeklagt. An seinen Opfern soll er sich bei Darmspiegelungen vergangen haben. Er bestreitet das.

Der erste Prozesstag vor dem Landgericht München I am Dienstag ist lang und wirft viele Fragen auf. Die Staatsanwältin ist davon überzeugt, dass der Angeklagte, ein Münchner Arzt, über vier Jahre insgesamt 19 Frauen sexuell missbraucht und vergewaltigt haben soll. Und das, während die Frauen unter Narkose in stabiler Seitenlage auf einer Liege lagen und der Angeklagte eine Darmspiegelung durchführte.

Seine Verteidigerin Julia Weinmann präsentiert eine ganz andere Variante vor Gericht: Es habe Streit zwischen den beiden Ärzten in der Gemeinschaftspraxis am Harras gegeben. Deshalb könne es gut möglich sein, dass der andere Arzt ihren Mandanten aus dem Beruf und aus der Branche habe drängen wollen. Er habe zusammen mit den Arzthelferinnen dem Angeklagten etwas anhängen wollen – so zumindest erklärt sich ihr Mandant die Vorwürfe.

Die zwei Arzthelferinnen, die zum Zeitpunkt der Taten in der Praxis gearbeitet haben, belasten den Arzt schwer. Laut ihrer Aussagen hat ihr damaliger Chef, für den sie zwischen 2017 und 2019 gearbeitet haben, immer wieder bei Darmspiegelungen seinen Zeige- oder Mittelfinger in die Vagina der Patientinnen eingeführt. Dabei soll der angeklagte Arzt während der Untersuchung des Öfteren gesagt haben, dass es sich um eine schwere Spiegelung handele, weshalb man das Narkosemittel erhöhen müsse. „Nicht, dass sie aufwacht“, soll er als Begründung gesagt haben.

Dass ihr Chef seine Position ausgenutzt haben soll, wollen die beiden Arzthelferinnen, die über die Arbeit hinaus auch befreundet sind, mehrfach beobachtet haben. Er habe seine „Mächtigkeit als Arzt“ beweisen wollen. Eine sexuelle Erregtheit habe sie jedoch während der Taten nicht beobachten können, sagte eine der beiden Zeuginnen vor Gericht aus.

Nachdem einer der beiden Zeuginnen im Jahr 2017 zum ersten Mal aufgefallen war, was ihr Chef bei den Darmspiegelungen tat, bat sie die andere, mit ihr das Zimmer zu tauschen und zu beobachten, ob ihr bei der Spiegelung irgendwas auffalle. Als die beiden Kolleginnen danach ihre Beobachtungen austauschten, kamen sie auf das gleiche Ergebnis: Ihr Chef führte immer wieder einen seiner Finger in die Vagina seiner Patientinnen ein.

Die beiden Zeuginnen beschreiben die Frauen, an denen sich ihr Chef vergangen haben soll, als schlank, jung und sportlich. „Könnte es sein, dass der Finger des Doktors aus Versehen in die Vagina der Frauen gelangt sein könnten“, wollte der Richter wissen. Die Wahrscheinlichkeit sei sehr gering, antwortete eine der beiden Arzthelferinnen, „vor allem, wenn man das so viele Jahre macht“. Einmal soll eine Patientin sie nach der Untersuchung sogar gefragt haben, ob es normal sei, dass es im Vaginalbereich brenne.

Doch obwohl sie die Taten über zwei Jahre immer wieder beobachteten, zeigten sie ihren Chef nicht an. Der Grund: Sie hatten Angst. Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und auch Angst davor, dass man ihnen nicht glauben würde. Eine der beiden Arzthelferinnen sagte: „Es waren viele, bei denen es mir aufgefallen ist. Aber ich wollte das nicht wahrhaben. Habe es verdrängt. Aber ich hätte viel früher was sagen sollen. Da gebe ich mir auch die Schuld“, so eine der beiden Arzthelferinnen. Sie habe selbst unangenehme Erfahrungen mit ihrem damaligen Chef gemacht. 2019 soll er ihr auf dem Oktoberfest unter das Dirndl an den Po gegriffen haben. Ihre Kollegin bestätigte das vor dem Gericht.

Die Verteidigerin bekundet Zweifel an den Aussagen der beiden Zeuginnen, will immer wieder wissen, warum die Arzthelferinnen die Taten ihres ehemaligen Chefs nicht viel früher zur Anzeige gebracht haben. Eine der beiden Arzthelferinnen argumentiert: „Es war für mich Alltag und ich hatte Angst vor den Konsequenzen. Im Nachhinein hätten wir den Mut haben sollen.“ Am Mittwoch, 8. Februar, geht der Prozess weiter. Für den zweiten Verhandlungstag sind weitere Zeugen geladen. Am Freitag, 10. Februar, sollen dann auch Opfer vor Gericht aussagen.

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