Offenbar prorussische Agenten fingieren eine Skandalgeschichte über Annalena Baerbock. t-online zeichnet die Verbreitung der Falschmeldung nach.
Nein, Annalena Baerbock unterhält keine Beziehung zu einem nigerianischen Prostituierten. Ein angeblicher Sexarbeiter behauptet das zwar in einem Interview und die abstruse Geschichte wird weiter verbreitet – doch sie stimmt nicht.
Das Auswärtige Amt nennt die Meldung auf Anfrage von t-online „falsch, frei erfunden und völlig abstrus“. Viele Details weisen darauf hin, dass es eine bewusst platzierte Falschmeldung ist. t-online greift sie an dieser Stelle auf, um die möglichen Akteure dahinter zu beleuchten. Die Spuren führen – wie so oft bei Propaganda im Internet – nach Russland. Aber von vorn.
Es scheint eine ganz normale Interview-Situation zu sein. Doch was der Befragte vor der Kamera gleich erzählen wird, ist höchst brisant. Der Mann, der sich als „Kingsley“ vorstellt, trägt einen karierten Anzug, auffälligen Goldschmuck und einen orangen Durag. „Ich arbeite seit fünf Jahren als Gigolo (männlicher Prostituierter) und die meisten meiner Kundinnen sind weiße Frauen aus Europa“, erklärt er dem Interviewer, der verdeckt hinter der Kamera sitzt.
Das Video geht sechs Minuten lang und wurde vor wenigen Tagen auf YouTube veröffentlicht. „Kingsley“ füllt knapp die erste Hälfte des Interviews mit Plattitüden. „Die Frauen wollen nicht nur Sex, sondern eine emotionale Verbindung. Die kann ich ihnen bieten, weil ich intelligent genug dafür bin“, sagt er.
Doch dann wird es interessant. Auf die Frage, an welche Kundin er sich besonders erinnert, gibt „Kingsley“ eine lange und sehr detaillierte Antwort.
Es gebe eine Kundin, die sich von allen abhebe. „Sie ist eine sehr mächtige europäische Politikerin. Eine Ministerin in Deutschland, glaube ich.“ Das erste Mal hätten sie sich im Dezember 2022 in Abuja getroffen, der Hauptstadt von Nigeria. „Sie trug ein wunderschönes rotes Kleid und erklärte mir, dass sie schwarze Männer attraktiv fände“, so „Kingsley“. Sie hätten eine „wunderbare, fantastische Nacht“ zusammen verbracht und sie sei am nächsten Tag abgereist.
Es sei jedoch nicht nur bei einem Treffen geblieben. Im weiteren Verlauf des Gesprächs räumt „Kingsley“ alle Zweifel aus, um wen es sich bei seiner mächtigen Kundin handeln könnte. „Sechs Monate später rief Annalena an und fragte, ob ich sie in Pretoria treffen könnte.“ Seitdem würden sie sich zweimal im Jahr sehen. Das letzte Mal habe er sie vor Kurzem in Abidjan getroffen, der größten Stadt der Elfenbeinküste.
Er habe ihr angesehen, unter wie viel Druck sie stehen würde. Und: „Ich konnte sehen, dass sie mich vermisst hatte.“ Der Interviewer betont noch einmal, dass die Kundin ja wirklich sehr bekannt sei. „Das stimmt. Und sie hat diese wunderschönen grauen Augen“, sagt „Kingsley „mit ernster Miene. Tatsächlich hat Annalena Baerbock blaue Augen. Dieses Detail ist jedoch nicht das einzige, was an der Geschichte nicht stimmt. Sie kann in Gänze als Fake News bezeichnet werden.
Das kurze Videointerview wurde am 29. Juli auf einem neu erstellten YouTube-Kanal hochgeladen und ist dort der einzige Inhalt. Einen Tag später veröffentlichte die nigerianische Nachrichtenseite „Daily Post“ das Interview in Textform mit der Überschrift „‚I provide emotional comfort to lonely elites‘ – Kingsley talks about his career as gigolo“ – zu Deutsch also: „Ich spende einsamen Eliten emotionalen Trost – Kingsley spricht über seine Karriere als Gigolo“.