Die Ampelchefs haben sich auf ein Paket für mehr Wachstum geeinigt. Arbeitsminister Heil, der einzelne Maßnahmen umsetzen muss, tritt aber auf die Bremse.

Deutschlands Wirtschaft liegt darnieder. Während fast alle 20 großen Industrienationen wachsen, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Prognose für Deutschland zuletzt noch einmal gesenkt, auf ein Mini-Plus von nur noch 0,1 Prozent in diesem Jahr. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland rechnen sogar mit einem zweiten Schrumpfjahr in Folge, prognostizierten für 2024 unlängst ein Minus von 0,1 Prozent.

Die Bundesregierung will diesem Abwärtstrend entgegentreten und hat dafür im Sommer eine „Wachstumsinitiative“ beschlossen. Insgesamt 49 Maßnahmen mit zahlreichen Unterpunkten und Gesetzesänderungen sollen parallel zu den laufenden Haushaltsberatungen auf den Weg gebracht werden, um die Rahmenbedingungen für die Unternehmen in Deutschland zu verbessern. Das Ziel: Mit dem Beschluss des Bundeshaushalts Ende des Jahres soll alles fix und fertig sein, damit die Ideen 2025 ihre volle Wirkung entfalten können.

Jetzt aber stellt sich heraus: Mehrere Punkte dieses Wirtschaftspakets drohen später zu kommen – weil Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf die Bremse tritt. Konkret geht es nach t-online-Informationen um die geplante Lockerung des Arbeitszeitgesetzes sowie um das Lieferkettengesetz.

Bei Erstem haben sich Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) darauf verständigt, dass Beschäftigte länger als die derzeit gesetzlich möglichen acht beziehungsweise zehn Stunden pro Tag arbeiten dürfen, wenn sie das wollen. Relevant ist das zum Beispiel in der Gastronomie, wo häufig bis tief in die Abendstunden gearbeitet wird und wo immer häufiger Arbeitskräfte fehlen.

Im Papier der Wachstumsinitiative heißt es wörtlich: „Die Bundesregierung wird eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen auf Grund von Tarifverträgen dies vorsehen.“ Dies solle für einen begrenzten Zeitraum gelten, die Auswirkungen sollen später bewertet werden.

Beim Lieferkettengesetz, das den Unternehmen zahlreiche Berichtspflichten und viel Bürokratie aufbürdet, haben die Ampelchefs beschlossen, die EU-Lieferkettenrichtlinie schneller umzusetzen – die Verpflichtungen, die sich daraus ergeben, aber zum spätestmöglichen Zeitpunkt scharfzustellen, nämlich frühestens ab dem Jahr 2027. Das würde bedeuten, dass schon ab dem kommenden Jahr rund zwei Drittel der Firmen in Deutschland nicht mehr unter die aktuellen Regeln des deutschen Lieferkettengesetzes fallen würden, die derzeit noch für sie gelten. Größere Unternehmen sollen zudem wählen können, ob sie die Berichtspflichten des Lieferkettengesetzes oder die Nachhaltigkeitsberichtspflichten erfüllen.

Heil, in dessen Zuständigkeit beide Dinge fallen, soll nun jedoch einen größeren Zeitbedarf für die Umsetzung angemeldet haben. Ob der Bundestag alle Änderungen tatsächlich bis zum Jahresende als Gesetz beschließen kann, ist demnach offen.

Das rüttelt am Kern der Vereinbarung zwischen Scholz, Habeck und Lindner. Denn: Das Wachstumspaket ist eng mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts im Dezember verknüpft, weil im Etatplan bereits zusätzliche Steuereinkünfte aus einem größeren Wachstum eingepreist sind. Verkürzt gesagt: Kommt das Wachstumspaket nicht oder in Teilen erst später, können die Haushälter im Bundestag bei ihrer Bereinigungssitzung am 16. November nicht mit den höheren Steuereinnahmen planen. Dann würde das Milliardenloch im Haushalt noch einmal größer ausfallen.

Finanzminister, Kanzler und Wirtschaftsminister: Die Wachstumsinitiative haben Lindner (v.l.), Scholz und Habeck persönlich ausgehandelt. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)

Auf t-online-Anfrage teilte das Arbeitsministerium mit, man arbeite „mit Hochdruck an der Umsetzung der Wachstumsinitiative“, einiges sei bereits auf den Weg gebracht. „So hat das Kabinett bereits am 4. September erste Maßnahmen beschlossen, um längeres Arbeiten attraktiver zu gestalten, und setzt mit Hochdruck weitere wachstumsfördernde Initiativen um, etwa im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und der Sanktionen beim Bürgergeld.“

An der konkreten Änderung des Arbeitszeitgesetzes werde derzeit noch gearbeitet. „Geplant ist, einen Referentenentwurf noch in diesem Jahr vorzulegen.“ Was übersetzt so viel heißt wie: Einen innerhalb des Kabinetts abgestimmten und verabschiedeten Gesetzentwurf, der dann noch vor Ablauf des Jahres im Bundestag beraten wird, kann es zwar noch geben – muss es aber nicht. Tatsächlich könnte die Novelle des Arbeitszeitgesetzes damit also etwas länger dauern.

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